Der Autor
Björn JessePartner, Drees & Sommer SE
In Deutschland leben schon drei Viertel der Menschen in Städten und die Einwohnerzahlen steigen weiter – nicht nur in Metropolen wie Berlin oder Hamburg, sondern unter anderem in Freiburg oder Augsburg. Damit hängen zahlreiche Herausforderungen zusammen, zum Beispiel die Infrastrukturauslastung oder der Klimawandel. Um diesen zu begegnen, kommt den einzelnen Immobilien eine besondere Bedeutung zu. Gesund, flexibel, smart vernetzt, energieautark, emissionsneutral und integriert sollen Gebäude sein. Mit dem Blue-City-Ansatz berücksichtigt Drees & Sommer die Wechselwirkung unterschiedlicher Faktoren und Handlungsfelder, die eine Stadt beeinflussen.
Wie eine Immobilie die Stadt zukunftsfähiger machen kann, verdeutlicht das Beispiel Energieversorgung. Mit dem passenden Energiekonzept lassen sich einerseits Betriebskosten sparen, andererseits leistet die Immobilie einen Beitrag zum Klimaschutz. Ein Dreh- und Angelpunkt eines umweltverträglichen Konzepts ist der Einsatz von erneuerbaren Energien: Windkraft-, Geothermie- und Solaranlagen sowie die Kombinationen dieser Technologien. Auch die Gebäudehülle spielt eine tragende Rolle – sie bietet Platz für Solarmodule, dient als Wärmedämmung und hält Strahlung und Lärm ab. Fehlt zum Beispiel ein Sonnenschutzsystem, benötigt das Gebäude im Sommer viel Energie zur Raumkühlung. Das wirkt sich wiederum auf die Energiebilanz der Stadt aus. Der urbane Raum gleicht also einem komplexen Organismus, in dem jedes Element seine Funktion – und entsprechend Einfluss auf das Gesamtgefüge – hat.
Interaktion zwischen Gebäude und Stadt
Die Immobilien stehen in der Blue City – Stadt der Zukunft – nicht isoliert, sondern kommunizieren miteinander. Schon heute werden beispielsweise Gebäude entwickelt, die energetisch autark sind und sogar einen Stromüberschuss produzieren. Damit diese Energie nicht verloren geht, wird sie ins Netz abgeleitet oder aber an andere Gebäude der Anlage oder Nachbarschaft abgegeben. Im Sommer produzieren Gebäude mit Solarmodulen mehr Strom als sie benötigen und können andere damit versorgen. Im Winter leihen sie dagegen Strom vom Blockheizkraftwerk der Nachbarn. Ermöglicht wird dieses Verhältnis durch ein intelligentes Stromnetz – das sogenannte Smart Grid. Dieses umfasst die Erzeugung, die Speicherung, das Netzmanagement sowie den Verbrauch und bindet sie in ein Gesamtsystem ein. Zielführend ist es deshalb, größere Liegenschaften so zu planen, dass sie Gebäude mit verschiedenen Nutzungsprofilen umfassen. Zum Beispiel weisen Bürogebäude den höchsten Energiebedarf tagsüber auf, während es bei Wohngebäuden umgekehrt ist – dort benötigen die Menschen abends am meisten Strom. Im Fokus steht auch hier die Eigenschaft von Immobilien, sich auszutauschen und dadurch Mehrwert für die Stadt zu schaffen.
Projektbeispiel: Größtes Plusenergiehaus in Europa
Um den Anforderungen an Klimaschutz und Energieeffizienz nachzukommen und gleichzeitig die bisher auf verschiedene Standorte verteilten Büros zu bündeln, hat die Stadt Freiburg beschlossen, einen umfassenden Neubau zu errichten. So entstand bis zum Frühjahr 2017 auf einer Bruttogrundfläche von über 24.000 Quadratmetern am ehemaligen Standort des Technischen Rathauses ein fünfgeschossiges Verwaltungszentrum. Der Neubau entspricht dem Plusenergiestandard und produziert mehr Strom als er selbst benötigt – der Überschuss wird ins städtische Stromnetz eingespeist. Das Rathaus kombiniert mehrere Technologien: Die Hülle ist in Passivhaus-Standard gebaut, das Dach und die Fassade sind mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet, Heizen und Kühlen erfolgen mit Grundwasser. Für die vorbildliche Umsetzung ökologischer und architektonischer Standards wurde das neue Freiburger Rathaus im Dezember 2018 von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen mit dem DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen“ prämiert.