07.06.2019
Albert Dürr

Die regionale Immobilien- und Bauwirtschaft ist als Vordenker für nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben gefragt

Stuttgart kann nicht nur Wirtschaft, sondern auch Nachhaltigkeit

Wer Nachhaltigkeit für ein Schlagwort hielt, das etwas aus der Mode gekommen ist, wird derzeit eines Besseren belehrt.

"Fridays for Future“ mobilisiert jede Woche Zehntausende überwiegend junge Menschen in den Städten. Im Stuttgarter Gemeinderat sind die Grünen seit kurzem die stärkste Kraft, bei der Europawahl hat bundesweit fast jeder Dritte unter 30 die Ökopartei gewählt. Und in der aktuellen, repräsentativen Studie der Bertelsmann Stiftung haben neun von zehn Befragten den Klimaschutz als besonders dringliche Aufgabe angegeben, die vor Ort angegangen werden müsse – 13 Prozentpunkte mehr als noch im Jahr zuvor. Da ist es nur folgerichtig, dass beim Immobiliendialog Stuttgart nicht nur die regionale Marktentwicklung und einzelne Projekte, sondern auch Konzepte für eine nachhaltige Stadt auf der Agenda stehen. Besonders die IBA ist ein Glücksfall für Stuttgart. Sie macht aus einer Stadt, die viele Menschen mit Feinstaub assoziieren, ein Labor für soziale, kulturelle, ökonomische und ökologische Innovationen.

Maßstab für Zukunftsfähigkeit

Vom Immobiliendialog sollte der Impuls ausgehen, dass Stuttgart nicht nur Wirtschaft, sondern auch Nachhaltigkeit „kann“. Dass Nachhaltigkeit der Maßstab für die Zukunftsfähigkeit ganzer Branchen ist, bekommen wir im Ländle hautnah mit. Gerade weil unsere Region ein Zentrum der Automobilindustrie ist, betrifft uns auch deren struktureller Wandel hin zu einer emissionsfreien Mobilität besonders stark. Durch die Kessellage Stuttgarts sind mit den negativen Folgen fossiler Brennstoffe – Stichwort Feinstaub – mehr konfrontiert als andere und müssen früher dagegen steuern. Die Topografie bewirkt auch, dass wir seit jeher auf einen geringen Flächenverbrauch achten, bestehende Stadtquartiere verdichten und auf die Frischluftzufuhr achten müssen. Zugleich haben hier auch den Erfindergeist, die Institutionen und Kompetenzen, um Vorreiter des nachhaltigen Planens und Bauens zu sein. Ich denke da zum Beispiel an die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), die hier sitzt, und Vordenker wie Werner Sobek.

Nachhaltigkeit, die sich rechnet

Wie wir es schaffen, so zu wirtschaften, dass es weder zu Lasten der Umwelt noch der künftigen Generationen geht – das beschäftigt nicht nur (Stadt)planer, sondern auch uns als Bauunternehmen. Nachhaltigkeit hat bei Wolff & Müller eine sehr lange Tradition. Von meinem Großvater, dem Firmengründer Gottlob Müller, ist überliefert, dass er über die Baustellen lief und seine Mitarbeiter sehr ernsthaft darauf hinwies, wenn sie achtlos mit dem Material umgingen. Wenn da eine Kiste mit Nägeln im Dreck lag, schimpfte er: „So geht man nicht mit Geld um.“ Heute würde man sagen, er wollte Ressourcen schonen und Verschwendung vermeiden. Aus Umweltgründen vielleicht, sicher aber aus wirtschaftlichen Gründen. Schließlich war er ein „echter Schwob“. So hat sich in den vergangenen Jahren in unserem Unternehmen der Begriff Gottlob-Müller-Prinzip etabliert. Er führt zwei Ansätze zusammen, die in unseren Köpfen allzu oft im vermeintlich absoluten Widerspruch stehen: Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Wir wollen und können Themen der Nachhaltigkeit so angehen, dass sie zur Wirtschaftlichkeit des Unternehmens beitragen. Nur ein Beispiel von vielen: Durch den Einsatz von Leerlaufabschaltung bei Baumaschinen sparen wir nicht nur 600 Tonnen CO2 pro Jahr ein, sondern auch 300.000 Euro – Nachhaltigkeit, die sich rechnet.

WIN-Charta setzt den Rahmen

Wolff & Müller hat sich Ende 2017 der Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit (WIN) des Landes Baden-Württemberg angeschlossen und die insgesamt zwölf Leitsätze der gleichnamigen Charta unterzeichnet. Sie formulieren ökonomische, ökologische und soziale Grundwerte zu sämtlichen Bereichen eines Unternehmens. Wir haben uns drei Schwerpunkte gesetzt: Mitarbeiterwohlbefinden, Energie und Emissionen sowie nachhaltige Innovationen. Seit Jahren bauen wir CO2-neutral und ausschließlich mit Ökostrom. In den Bereich Innovationen fallen zum Beispiel Methoden wie Building Information Management und Lean Management, aber auch Technologien wie Drohnen, digital vernetzte Baumaschinen und Virtual Reality. Sie helfen uns, planungs-, kosten- und terminsicher zu bauen und weder Geld noch materielle Ressourcen zu verschwenden. Hier zeigt sich, dass Nachhaltigkeit Hand in Hand geht mit einem anderen Trendthema unserer Zeit – der Digitalisierung.

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Albert Dürr