Der Autor
Thomas ZabelHead of Residential Development Germany, Jones Lang LaSalle Residential Development
Die Entwicklung von Immobilien ist schon immer von gesellschaftlichen Metatrends geprägt. Genauso verhält es sich auch bei Wohnhochhäusern, die zunehmend dem urbanen Lebensstil ihrer Bewohner gerecht werden: Es gibt immer mehr Ein- bis Zweipersonenhaushalte, die Menschen wechseln häufig den Job oder Wohnort und Erlebnisse sind ihnen wichtiger als Besitz. In einem zunehmend verdichteten und komplexen Alltag möchten viele Menschen ihre kostbare Zeit nicht für Routineaufgaben, sondern für sich selbst oder Begegnungen mit anderen Menschen aufwenden.
Zu diesen gesellschaftlichen Metatrends gesellen sich die Anforderungen einer modernen Stadtentwicklung: Die Flächen für Baugrund werden knapper und moderne Mobilitätskonzepte versuchen eine Antwort auf das wachsende Verkehrsaufkommen zu finden. Durch den industriellen Strukturwandel liegen innerstädtische Flächen brach, die einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden müssen.
Wohntürme der neuen Generation, die nicht nur Wohnungen, sondern auch andere Nutzungsformen wie Gastronomie und Einzelhandel sowie verschiedene Dienstleistungsangebote, sogenannte Amenities, berücksichtigen, liefern eine Antwort auf diese Herausforderungen. Mit dem Konzept des „Vertical Livings“ versuchen die Wohnturm-Entwickler dem urbanen Lebensstil zu begegnen. Dabei gibt es keine „one-size-fits-all“- Lösung, vielmehr kommt es auf die Mischung der Nutzungsformen an. Eine genaue Analyse des Standorts und des Nutzungsverhaltens der künftigen Bewohner ist unerlässlich: Es kann also nicht pauschal gesagt werden, dass jeder Wohnturm zwangsläufig hybrid genutzt werden muss.
Das Angebot des „Vertical Livings“ orientiert sich an den Leistungen von Premiumhotels. Daher werden Wohnhochhäuser oft mit Hotels kombiniert, die nicht nur einen Concierge-Service sicherstellen, sondern auch Hausdienstleistungen wie Essens- und Wäscheservice anbieten können. Auf internationaler Ebene werden Kinos, Wellness- und Spa-Angebote, aber auch Konferenzbereiche integriert. Dieser Ansatz steckt in Deutschland noch in den Anfängen, sicherlich vor allem wegen der im internationalen Vergleich geringeren Bauhöhen und damit weniger Platzangebot in den Projekten.
Auch was die Einbindung in die Stadtquartiere betrifft, orientieren sich Wohnhochhäuser an den Anforderungen der urbanen Gesellschaft: Ausreichend Parkplätze für Carsharing-Angebote und Fahrräder sowie eine unmittelbare Anbindung an U- oder S-Bahnen sind hier Beispiele. Damit sind die Gebäude nicht mehr als isolierte Solitäre, sondern als innerstädtisch integrierte Quartiere zu verstehen, die den Flächenverbrauch reduzieren und eine nachhaltige Lebensweise fördern.
Auf großen innerstädtischen Brachflächen bietet es sich an, nicht nur den Wohnturm als Teil der Entwicklung zu betrachten, sondern das gesamte Quartier. Dabei kommt es nicht nur auf den Nutzungsmix innerhalb des Wohnhochhauses an, sondern auf die gesamte Zusammensetzung der Umgebung, die im Sinne eines Campus-Gedankens gestaltet werden kann. Wenn es in den umliegenden Gebäuden Gewerbeflächen mit Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistungsangeboten gibt, kann es durchaus ein reines Wohnhochhaus geben. Mixed-Use ist in diesem Falle nicht notwendig. Vielmehr schaffen so die einzelnen Gebäude mit verschiedenen Nutzungsformen einen Austausch und Synergieeffekte.
Ein Beispiel für die Umsetzung dieses Konzepts ist der Grand Tower in Frankfurt, der in unmittelbarer Nachbarschaft des Shopping-Centers „Skyline Plaza“ entsteht. Hier macht es wenig Sinn, zusätzlich Einzelhandel unterzubringen, nur um dem Credo der hybriden Nutzungsarten gerecht zu werden. Nicht der Nutzungsmix an sich, sondern der Lebensstil der Bewohner im Frankfurter Europaviertel entscheidend: Diese internationale Klientel legt großen Wert auf ein gutes Angebot an Amenities. Dazu gehören unter anderem der Concierge-Service sowie eine große Sunset Terrace im 43. Obergeschoss und der etwa 960 m² große Grand Garden in der 7. Etage, der als privater Garten für die Bewohner dient.
Letztlich ist bei der Entwicklung eines Wohnhochhauses nicht der Nutzungsmix und damit die Anzahl der verschiedenen Nutzungsarten entscheidend, sondern die passgenaue Integration des Gebäudes in die Umgebung: Das betrifft die Verkehrsinfrastruktur, das soziale Gefüge und das vorhandene Angebot an Dienstleistungen und Arbeitsplätzen. Ergibt diese Analyse beispielsweise, dass es keinerlei Dienstleistungen und gastronomische Angebote gibt, macht es Sinn eine hybride Nutzung und eine Vielzahl von Amenities im Wohnhochhaus unterzubringen, was die Attraktivität des Objekts steigert und damit höhere Verkaufspreise und eine beschleunigte Vertriebsgeschwindigkeit bewirkt.