Die Autorin
Jasmin Busse-SchlaudeckerProjektleitung, Heuer Dialog GmbH
Vermeiden, sparen und reduzieren ist eine Form des Schuldmanagements. Sie haben eine viel weitreichendere Vision als Pionier und Entwickler des Cradle to Cradle-Designkonzepts.
Was zeichnet dieses Konzept konkret aus und wie funktioniert es?
Bei Cradle to Cradle (C2C) geht es um Effektivität und es ist somit ein erweiterter Qualitätsbegriff. Das Konzept zeichnet sich durch drei Grundbegriffe aus: Qualität, Innovation und Schönheit. Ein Haus, was Abfälle verursacht und giftige Baustoffe enthält, hat ein Qualitätsproblem.
C2C heißt, alle Dinge die verschleißen so zu konzipieren, dass sie die Biosphäre aktiv unterstützen. C2C ist nicht ein Konzept, das „ohne Abfall“ denkt, sondern wo sämtliche Bau- und Rohstoffe zu „Nährstoff“ werden. Die Natur kennt keinen Abfall, sie kennt nur Materialien, die in die Biosphäre zurückgehen und damit nützlich sind.
Was bedeutet C2C für die Immobilienbranche?
Für die Immobilienbranche bedeutet das, dass alle in Gebäuden verarbeiteten Materialien in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Niemand braucht eine Fassade oder ein Fenster, sondern nur die Nutzung. Somit gibt der Hersteller die Dienstleistung dazu an uns ab. Dadurch können bessere Materialien eingesetzt werden. Das Gebäude wird zur Materialbank.
Somit wird alles wieder Nährstoff. Das setzt natürlich voraus, dass keine giftigen Stoffe eingesetzt werden und dass sich das Gebäude wie ein Baum verhält, das die Luft und das Wasser reinigt und die Luftqualität der Innenräume besser ist als draußen.
Statistisch erwiesen ist, dass die durchschnittliche Luftqualität in Gebäuden, in denen wir Menschen 80 % unserer Zeit verbringen, etwa 3 bis 8-mal schlechter ist als die der städtischen Außenluft. Wenn wir das berücksichtigten wird ersichtlich, welcher Handlungsbedarf in der Immobilienbranche nötig ist, wenn man gesundes Bauen und Bauen für andere Lebewesen vorantreiben und die Qualität der Immobilie erhöhen will.
Das erfordert neue Geschäftsmodelle, Weiterbildung der Architekten und die Kooperation mit Bauzulieferern.
Wie gilt es die Vorbehalte der Branche im Hinblick auf das künftige Bauen und neue Projektentwicklungen zu reduzieren und letztendlich zu beseitigen?
Die meisten Menschen denken nach wie vor, das Umweltthema sei immer noch ein Moralthema. Wenn die Lage schlecht ist, dann bleibt die Moral auf der Strecke. Umgekehrt, wenn die Zeichen auf Wachstum stehen, wie in der Immobilienbranche, wird die Moral ebenfalls außer Acht gelassen. Solange marode Bauten verkauft werden können, interessiert die Moral nicht, was erstaunlich ist, da eigentlich der langfristige Immobilienwert davon abhängig ist wie gesund das Bauwerk ist und wie hoch die Entsorgungskosten sind.
Es geht darum die Gebäude neu zu denken! Der DGNB hat da schon viel Pionierarbeit geleistet. C2C ist in keiner Konkurrenz zu anderen Zertifizierungen zu sehen, sondern es erlaubt über die Mindestanforderungen hinaus zu gehen und dadurch Betriebs- und Personalkosten einzusparen. Es geht allein um umfassende Qualität der Baustoffe.
Wie „massentauglich“ und investmentfähig ist die zirkuläre Bauweise schon?
Ein Investor wird in Zukunft ein Haftungsproblem bekommen, wenn er keine gesunden Materialien einsetzt. Also auch um Risiken zu minimieren, ist zum einen natürlich die Zertifizierung nach DGNB, aber auch Verwendung von C2C ein absolutes Muss.
Durch C2C können die Betriebs- und Personalkosten drastisch gesenkt werden. Künftig werden Energie- und Materialausweise ausgestellt und jedes Gebäude und damit jedes darin verbaute Material digital erfasst.
EPEA und Drees & Sommer haben sich Anfang dieses Jahres als Experten auf dem Gebiet der zirkulären Bauweise zusammengeschlossen, um die zirkuläre Bauweise und eine Massenumsetzung zu forcieren. 2/3 der Abfälle kommen aus dem Baubereich. Es besteht daher dringende Handlungsnotwendigkeit. Durch die Kooperation von Drees & Sommer und EPEA sollen Bauträger und Investoren in der Planung und Einhaltung der Kosten unterstützt werden.
Wie lassen sich Gebäude im Bestand dahingehend umgestalten, dass zumindest anteilig Bauteile und -stoffe in den Kreislauf zurückgeführt werden können?
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die man gerade im Bestand machen kann, man darf nur keine Kompromisse eingehen! 99% der Gebäude sind Bestandsgebäude, bei denen bei der Sanierung eben finanziell mehr eingesetzt, Giftstoffe komplett vermieden und nicht nur gesetzliche Vorgaben eingehalten werden müssen.
Bereits jetzt gibt es im Baubereich rund 800 Bauprodukte die C2C und nicht wirklich teurer als herkömmliche Produkte sind. Viele Recycling-Materialien haben ein Qualitätsproblem, da sie einfach nur recycelt sind und den Leuten nichts Gutes tun. Man muss sich fragen - was ist gesundes Material und was ist wirklich kreislauffähig?
Ihr Fazit?
Uns kommt jetzt die Generation von jungen Leuten zugute, denen Anerkennung und soziales Netzwerk wichtiger ist als Geld. Wer in einem Haufen Sondermüll wohnt, ist einfach nur ein Loser. Unternehmen können bei den künftigen Mitarbeitern mit einem gesunden Gebäude punkten.
Was sich ändern muss ist, das Bewusstsein unserer Rolle. Wir glauben, wenn wir ein bisschen weniger schädlich leben, würden wir Gutes tun. Das ist kein Schutz, sondern nur weniger Zerstörung. Und für weniger Zerstörung sind wir zu viele Menschen auf der Welt!
Wir müssen den menschlichen Fußabdruck feiern, statt ihn zu minimieren. Man muss C2C als Chance begreifen und nicht als Belastung!