25.01.2019
Uwe Bethge

Wachsender Online-Handel verlangt neue Lösungen

Mieter setzen sich die Krone auf

Handel ist Wandel. Heute ist es das Internet, das stationäre Geschäfte in Innenstädten, Einkaufsstraßen und Shoppingcentern zum Nachdenken über neue Modelle des Handels zwingt.

Bis 2020 wird das Online-Geschäft Prognosen zufolge ca. 20 Prozent des Umsatzes im Einzelhandel ausmachen. Für den Non-Food-Bereich sagt GfK sogar bis zu 40 Prozent voraus.

Das trifft zum einen die Händler, die ihrerseits bereits neue Konzepte ausprobieren. Einkaufen vor Ort wird zum Beispiel zunehmend als Kauferlebnis stilisiert. Auch die Möglichkeit, online bestellte Artikel in der Filiale abzuholen, soll die Menschen in die Geschäfte locken. Gefragt sind jedoch auch die Eigentümer und Vermieter von Einzelhandelsimmobilien. Sie müssen sich ordentlich drehen, um Leerstände, häufige Mieterwechsel und die geringer werdende Nachfrage der zudem weniger potenten Mieter zu kompensieren. Sonst drohen auch ihnen ein Wertverlust ihrer Immobilien oder gar finanzielle Schwierigkeiten.

Einige Zahlen dazu: Die Spitzenmietpreise gaben in den Big 10-Standorten (Metropolen) in 2018 um 0,2 Prozent nach, konstatiert JLL in seinem aktuellen Einzelhandelsmarktüberblick. Die Spitzenmietpreise in den Städten der Einwohnerklasse unter 100.000 Einwohnern sanken sogar um 5,4 Prozent. Wenn man auf den Leerstand schaut, ermittelte JLL in seiner Studie 2018 für die Big-Neun-Städte 8 Prozent aller Einzelhandelsflächen als verfügbar.

Die Zeiten, wo es immer nur aufwärts ging, sind im Handelsimmobilienmarkt also vorbei. Eigentümer müssen sich auf weitere Rückgänge und anspruchsvollere Mieter einstellen. An etablierten Standorten ist der Markt diesbezüglich bereits in Bewegung, aber vor allem jenseits der Big-10-Standorte herrscht weiter Anpassungsbedarf an die neuen Realitäten. Unsere Kanzlei hat Denkanstöße entwickelt, die Immobilieneigentümern und Vermietern im Retailbereich auch künftig ein erfolgreiches Agieren ermöglichen können.

Aus Denkmustern ausbrechen

Das Zauberwort heißt: Flexibilität! Der Einzelhandelsmieter wird zu einer umworbenen Spezies, er wird zum König. Für Eigentümer heißt das: Die Lage realistisch einschätzen, aus alten Verhaltensmustern ausbrechen, in neuen Zusammenhängen denken:

  • Passt die räumliche Lage meiner Immobilie zur derzeitigen bzw. zur künftigen Nutzung?
  • Ist eine Investition in den Werterhalt oder in einen Umbau langfristig gewinnbringender als die Rendite, die heute ohne sie noch erwirtschaftet werden kann?
  • Sind sogar Abriss und Neubau nachhaltiger?
  • Wie entwickelt sich der Makro- und wie der Mikro-Standort? Was haben die Stadtplaner vor?
  • Können Kooperationen mit benachbarten Handels-, Gewerbe- oder Wohnimmobilien-Eigentümern unerkannte Potenziale eröffnen?

Flexible Mietverträge

Beweglichkeit ist aber vor allem auch bei den Mietverträgen notwendig. Standards und alte Muster haben ausgedient und lassen sich am Markt nicht mehr durchsetzen. Das wird bereits bei der Laufzeit der Verträge deutlich. Langfristige Vereinbarungen über fünf bis zehn Jahre gehören zunehmend der Vergangenheit an. So lange können und wollen sich die meisten Händler nicht mehr binden. Sie wollen flexibel bleiben und sich den immer schneller wechselnden Marktbedingungen anpassen können. Das bedeutet: kürzere Mietlaufzeiten, flexibel gestaltete Kündigungsfristen, Sonderkündigungsrechte oder Nachmieterklauseln. Diese neue Beweglichkeit in den Mietverträgen hat Auswirkungen auf den Mietpreis, der zwangsläufig steigt.

Immer häufiger obliegt der Um- und Ausbau der Retail-Flächen nach Mieterwunsch dem Eigentümer oder es werden hierfür Baukostenzuschüsse vereinbart. Zustimmungen zu späteren Umbauten werden Mietern von vornherein zugestanden. Und verbreiteter sind heute Verzichte des Vermieters auf einen Rückbau von Mieterein- und -umbauten.

Flexibilität ist auch beim Thema Wertsicherung angesagt. Längst sehen Mietverträge nicht mehr nur starre Indexklauseln vor. An der Tagesordnung sind Umsatzmieten, evtl. kombiniert mit Mindest- oder Höchstmieten, jeweils mit oder ohne Einbeziehung der Online-Umsätze. Auch die Vereinbarung mittel- oder langfristiger Zielmieten, Probemieten oder mietfreier beziehungsweise mietreduzierter Zeiten (etwa saisonabhängig) kann Mietinteressenten einen Abschluss erleichtern. Solche und andere Incentives sind ein probates Mittel der Mieterbindung oder Mieterakquise. Leitfaden für die Vertragsverhandlungen muss heute die Erkenntnis sein, dass der Retail-Mieter die Königskrone trägt.

Der 11. Handelsimmobilien-Gipfel von Heuer Dialog am 20. und 21. März dieses Jahres wird mir die Möglichkeit geben, auch darüber mit Martin Kind zu sprechen. Der Präsident von Hannover 96 ist Hörgeräte-, Fußball- und Immobilien-Unternehmer in einer Person und hat insbesondere auch bei der Vermietung von Retail-Immobilien über viele Jahrzehnte wertvolle Erfahrungen gesammelt. Ich freue mich daher auf ein spannendes und interessantes Gespräch.

Das Event zum Thema
Der Autor
Uwe Bethge
Rechtsanwalt und Notar