Der Autor
Thorsten SondermannGeschäftsführender Gesellschafter, COMFORT München GmbH
Wie entwickelt sich der Einzelhandel in Bayern in 2019?
Der bayerische Einzelhandel profitiert von den kerngesunden sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen im Freistaat. Wir finden hier ein sehr gutes Umfeld vor durch beispielsweise eine wachsende Bevölkerung, eine positive allgemeine Wirtschaftsentwicklung und eine niedrige Arbeitslosigkeit.
Gleichwohl ist auch die Entwicklung in Bayern naturgemäß nicht abgekoppelt von den übergreifenden Einzelhandelstrends wie dem wachsenden Onlinehandel bzw. der steigenden Bedeutung des Omnichannelhandels, einer wachsenden Internationalisierung der Branche oder auch der steigenden Bedeutung von gastronomischen Konzepten in den Einzelhandelslagen.
Welche Ansprüche haben die Kunden heute?
Das ist ein abendfüllendes Thema, dem die gesamte Branche beständig auf der Spur ist. Kurz angerissen kann man aber dazu sicherlich Folgendes anmerken: Der Kunde erwartet heute von seinem Einkauf zunehmend ein Gesamterlebnis mit Freizeitcharakter, sozialem Treffpunkt, Kultur und Gastronomie und einer Verfügbarkeit der Produkte stationär wie online. Diese Entwicklung erzeugt einen hohen Wandlungsdruck auf unsere Innenstädte und auf die Qualität der Immobilien. Flächendeckendes W-Lan innerhalb der Shops ist eine Selbstverständlichkeit. Der Kunde von heute erwartet, dass er der Mittelpunkt sämtlicher Aktivitäten beim „Shoppen“ ist.
Welche Handelsformate suchen Flächen?
Wir hatten bislang bundesweit und branchenübergreifend noch nie eine solche Fülle an neu eintretenden bzw. neu in den Markt drängenden Konzepten zu verzeichnen - gerade auch aus dem Ausland. Dies gilt allerdings insbesondere im klein- und mittelflächigen Bereich von 100 – 200 m² bzw. 200 – 600 m²: Die dahinter stehenden Labels wollen im großen Markt Deutschland sich neu bietende Marktchancen nutzen. Auch der Textilsektor spielt hier teilweise mit: Nennen wir mal als namhafte Beispiele etablierte Player wie Hunkemöller, UNIQLO, Calzedonia / Intimissimi, die H&M-Marken wie ARKET, Home oder COS und neue ‚Zugpferde‘ wie Topshop / Topman. Insgesamt wird die Zukunft der Innenstadt aber weniger ‚textiler‘ und zunehmend bunter. Ebenso sind auch die Zeiten vorbei, in denen ein „Neuling“ sofort eine Vielzahl von Shops eröffnen möchte. Die Expansionsgeschwindigkeit in der Zukunft wird sehr stark durch Excel-Tabellen geprägt sein.
Wie ist das gemeint?
Bei ‚bröckelnden‘ Höchstmieten kommen deutlich mehr Hartwaren-Anbieter wie Decathlon, JD Sports, Søstrene Grene, Clas Ohlson, Mister Spex oder HEMA bei der Anmietung zum Zuge. Dies ist für diese Mieter auch eine echte Chance attraktivere Flächen zu bekommen. Auch im periodischen Bedarfssegment sehen wir zukünftig zunehmend attraktive Ladenkonzepte in unseren Innenstädten: Bei Lebensmitteln - vor allem bei den beiden Marktführern EDEKA und REWE - gibt es immer flexiblere Formate. Die Biomärkte wie Alnatura, denn’s und BIOCOMPANY werden zahlreicher, die Lebensmittel-Discounter, beispielsweise Aldi und Lidl werden größer. Gleiches gilt auch für die Drogeriemärkte wie dm drogerie markt und Rossmann, die zusätzlich durch das Hamburger Traditions-label BUDNI teilweise ‚aufgemischt‘ werden. Beachtenswert ist zudem der Bereich Kosmetik / Gesundheit, in dem u.a. Rituals und easyApotheke und der neue Player Sephora sowie LUSH mit viel Schwung unterwegs sind. Auch der ‚Preis‘ als Argument für den Besuch des stationären Einzelhandels ist noch keineswegs out. Das belegt deutlich der fortschreitende Expansionserfolg von preisaggressiven Konzepten wie TK Maxx, Primark, Woolworth, TEDi oder Action sowie Outlets des Online-Handels (z.B. Zalando, notebooksbilliger.de).
Wie entwickeln sich die Mieten?
Während über sehr viele Jahre die Einzelhandelsmieten mehr oder weniger stark gestiegen waren, sind diese seit 2016 zunehmend ‚unter Druck‘ geraten. Diese Entwicklung basiert vorwiegend auf einer stagnierenden bzw. rückläufigen Mieternachfrage in vielen Städten. Gründe dafür sind vor allem ein Überbesatz der Flächen, steigende Umsatzzahlen des Onlinehandels sowie auch eine Schwäche des Modeeinzelhandels. Dies gilt insbesondere für Großflächen ab ca. 1.000 m² sowie für vertikale Flächen über drei oder mehr Ebenen. Jenseits der Miethöhe verändern sich auch die Vermietungsusancen. Und zwar in Richtung kürzere Laufzeiten und höhere Flexibilität, z.B. auf den Feldern Umsatz-Miet-Komponenten, Index-/Nebenkostenregelungen und Baukostenzuschüsse. Hier sehen wir sehr klar eine Verlagerung von Risiko und Kosten in Richtung Vermieterseite. Das gilt auch mit Blick auf die bayerischen Mittelstädte.
Wie werden Produkte und Marken erlebbarer?
Um es klar vorweg zu nehmen: Auch im digitalen Zeitalter bleiben Läden mit qualifiziertem Personal als direkter Kontaktpunkt zum Verbraucher für den Verkauf von Konsumgütern unübertroffen. Hierbei bekommt gerade der Punkt „qualifiziertes Personal“ eine immer grösser werdende Gewichtung. Wir beobachten dabei allerdings eine hierarchische Standortentwicklung in Hinblick auf die jeweiligen Marken oder Produkte: So siedeln sich Luxuslabels nur in ganz wenigen handverlesenen, exklusivem Luxuslagen an, während die Lebensmittelanbieter eine sehr breite flächendeckende Expansion bis in Kleinstädte hinein verfolgen. Diese Hierarchisierung wird sich unseres Erachtens durch den Onlinehandel bzw. Omnichannelstrategien der Retailer weiter verstärken. Gerade die Mittelstädte müssen darauf achten, als Standort für stationären Einzelhandel weiter attraktiv zu bleiben – auch in Bayern.
Zur COMFORT- Gruppe
Die COMFORT-Gruppe ist seit ihrer Gründung im Jahr 1979 auf die Vermietung und den Verkauf von Waren- und Geschäftshäusern sowie Fachmärkten und Ladenlokalen spezialisiert. Als ausgewiesener Experte für Handelsimmobilien bietet COMFORT ihr Know-how auch als Beratungsdienstleistung in Form von Expertisen, Second-Opinion-Gutachten oder Due Diligence für Dritte an. COMFORT analysiert fortlaufend die aktuellen Miet- und Kaufpreisfaktoren für Deutschland und Österreich. Zum ergänzenden Angebot zählen Center-Consulting sowie der Bereich Luxury Retail. In Deutschland ist der Einzelhandelsspezialist zudem exklusiver Kooperationspartner von Cushman & Wakefield in der Vermietung von Ladenlokalen. Die COMFORT-Gruppe mit Hauptsitz in Düsseldorf unterhält Büros in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig, München und Wien. www.comfort.de