09.11.2018
Sebastian Sommer

Erlebnis-Shopping, Planungsrecht und Bürgerpartizipation

Herausforderungen bei der Ansiedlung von Outlet-Centern in Deutschland

Outlet-Center sind ein zukunftsfähiges Vertriebsmodell, doch das Konzept stößt in Deutschland auf unterschiedliche Hürden.

Wie werden wir in Zukunft shoppen? Manch Einzelhandelsexperte zeichnet da ein düsteres Bild – insbesondere für stationäre Händler: Inspirationen zu neuen Styles kommen von Pinterest und Instagram. Der Einkaufsbummel spielt sich vor virtuellen Schaufenstern ab und anstelle von Einkaufstüten tragen Konsumenten das Rücksendepaket unterm Arm. Ein Horrorszenario für den lokalen Einzelhandel.

Doch diese Zukunftsvision lässt eine bedeutsame Entwicklung außer Acht: den nachhaltigen Trend zum Erlebnis-Shopping. Der Handelsimmobilien-Experte Joachim Will spricht in diesem Zusammenhang von „sozialem Einkaufsverhalten“. Kann der Kunde online alles bekommen, sucht er offline verstärkt nach neuen Shopping-Formaten, die Lifestyle- und Erlebnischarakter verbinden. Outlet-Center bieten, was diese Kunden suchen. Folgerichtig sieht Joachim Will in Outlet-Centern die einzige Vertriebsform des stationären Einzelhandels, die sich gegen das Online-Shopping resistent zeigt.

Deutsche Städte und Gemeinden haben das wirtschaftliche und touristische Potenzial dieses Handelsformats längst erkannt und versuchen Outlet-Center anzusiedeln. Die Kaufkraft hierzulande ist hoch und der Sättigungsgrad in puncto Outlets im internationalen Vergleich gering. Ideale Voraussetzungen sollte man meinen – und doch wurden in den vergangenen Jahren etliche Projekte abgelehnt oder erwarten, wie in Werl in Nordrhein-Westfalen, auf dem Weg zur Realisierung ein weiteres Gerichtsurteil.

Recht vs. Realkonzept

Wie kommt es, dass in einem Land mit so viel Potenzial so wenige Outlet-Center realisiert werden? Einerseits spielt das geltende Planungsrecht eine Rolle, andererseits gewinnt die emotionale Komponente an Bedeutung.

Planungsrechtlich fallen Outlet-Center unter „großflächigen Einzelhandel“ und sind strengen Regularien unterworfen. Eine Ansiedlung ist nur in Oberzentren und innerhalb der zentralen Versorgungsbereiche möglich. Aus städtebaulichen Gründen sowie aus Umwelt- und Verkehrsaspekten sollen sie in bestehende Siedlungen integriert werden. Damit zwingt das Planungsrecht Outlet-Center quasi in die Innenstädte. Genau das läuft aber dem Handelskonzept eines Outlet-Centers zuwider. Sowohl Händler als auch Marken setzen auf das Konzept, eben weil die Center in einer gewissen Distanz zum innerstädtischen Handel liegen und nicht mit diesem konkurrieren. Die Markenhersteller haben großes Interesse an einer ausbalancierten Distributionsstrategie, die ihnen ermöglicht sowohl Neuware als auch Altware nachhaltig und kontrolliert über alle Handelskanäle zu vermarkten. Recht und Realkonzept fallen hier auseinander.

Bürgerbeteiligung als Chance

Je näher die Projektentwickler an die Städte heranrücken, desto größer wird die Skepsis lokaler Einzelhändler und mancher Bürger, die durch ein Outlet-Center negative Auswirkungen befürchten. Die rechtlichen Fragen werden also durch eine emotionale Komponente ergänzt.

Städte und Gemeinden setzen daher vermehrt auf Bürgerpartizipation, um im Vorfeld einer Ansiedlung die Fragen und Befürchtungen der Bevölkerung genau zu verstehen. In Ansiedlungsprozessen sollten Projektentwickler daher mehr Zeit und Geld einplanen, bevor der erste Spatenstich gesetzt werden kann. Wir haben in Bürgerbeteiligungsverfahren viel gelernt und halten die Ansätze für sinnvoll, um wichtige Stakeholder in den Prozess einzubinden und Vorurteile auszuräumen.

Trotz des großen Wachstumspotenzials von Outlet-Centern in Deutschland hält die Politik am bestehenden Planungsrecht fest. Das ist erstaunlich, da die Aussagen von Gemeindevertretern, Handelsunternehmen und Outlet-Besuchern die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit des Handelskonzepts klar belegen. Während die Verantwortlichen in Deutschland also weiter den Status quo pflegen, fahren Kunden zum Erlebnis-Shopping ins benachbarte Ausland. Dort wurden die Vorgaben längst an die Realität und das Outlet-Konzept angepasst.

 

Der Autor
Sebastian Sommer
Geschäftsführer von Neinver Deutschland und Marketing & Retail Director Europe Neinver