26.10.2018
Gabriele Lüft

Jahreskongress der Immobilien-Frauen 2018

Wohlbefinden am Arbeitsplatz: das neue Nachhaltigkeitsthema - oder nicht?

Energieeffizienz ist eins der meist diskutierten Themen im Kontext des Megatrends Klimawandel. Die gesamte Immobilienbranche spricht darüber und auch die Politik hat sich längst an der Debatte beteiligt.

Der Tenor: Unsere Gebäude müssen weniger CO2 emittieren und insgesamt eine bessere Umweltbilanz aufweisen. Zweifellos stellt das eine wichtige Erkenntnis dar, auch wenn über die Umsetzung und den damit verbundenen Aufwand noch Kontroversen geführt werden. Was in der Debatte aber häufig untergeht, ist der Faktor Mensch. Haupteinfluss und Stellschraube in diesem Konstrukt der Abhängigkeiten.

Verschiedene Schätzungen gehen davon aus, dass Menschen über 80 Prozent ihrer Lebenszeit in Gebäuden verbringen. In unserer Evolution ist das einmalig und wir müssen uns mit dieser Tatsache auseinandersetzen. Ist vor diesem Hintergrund der Effekt unserer Gebäude auf den Menschen nicht genauso wichtig wie ihre Wirkung auf unsere Umwelt?

Wovon reden wir konkret? Menschen werden von den Gebäuden, in denen sie leben, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen beeinflusst. Temperatur, Tageslicht, Beleuchtung, Akustik und Schadstoffbelastung – um nur einige Faktoren zu nennen – haben Auswirkungen auf unser Wohlbefinden. Gängige Beispiele hierfür sind Klimaanlagen, die oft zu einem sehr hohen Temperaturunterschied zur Außenwelt führen, oder auch Ausdünstungen aus Baustoffen wie Farben und Lacken. Diese sind in Neubauten nicht nur geruchlich wahrnehmbar, sie wirken sich auch negativ auf unsere Gesundheit aus. Dabei gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Alternativen, die Investoren und Entwickler bei Neubauten wie Revitalisierungen ins Auge fassen sollten. Von passiver Kühlung über schadstoffarme Bauprodukte, individuelle Schallschutz-, und Akustikkonzepte oder die Begrünung von Räumen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten.

Bei CBRE raten wir Investoren und Projektentwicklern den Mensch bei der Gebäudekonzeption schon früh in den Fokus zu rücken. Was anfänglich eine höhere Investition mit sich bringen mag, hat nicht nur eine soziale Komponente, sondern auch eine ökonomische. Wenn sich Nutzer in ihren Räumlichkeiten wohlfühlen, ist davon auszugehen, dass sie zufriedene und langfristige Mieter sind. Es handelt sich dabei um eine zusätzliche Form des Risikomanagements und das gerade in einer Zeit, in der das Gesundheitsbewusstsein bei vielen Menschen steigt. Erste Unternehmen berücksichtigen diese Aspekte bereits bei der Arbeitsplatzplanung. Sie haben festgestellt, dass ein gesundes Raumklima ihre Mitarbeiter motiviert, die Produktivität erhöht und zu weniger Krankheitstagen führt. Soziale Verantwortung, ökologischer Weitblick und Investoreninteressen gehen damit Hand in Hand – eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. 

Nachhaltigkeitslabel versuchen weltweit seit über zehn Jahren für die Symbiose zwischen Technik, Sozialem, Ökonomie und Ökologie zu werben. Der anfänglich belächelte Trend hat sich international aus verschiedenen Beweggründen heraus etabliert und diverse Anbieter mit unterschiedlichem Fokus gefunden. Die heutige Rechnung ist eine andere: für Energie gibt ein Unternehmen im Schnitt unter 1% aus, für die Miete und Betrieb des Gebäudes ca. 9% und ca. 90% für seine Mitarbeiter. Ein Tag Stillstand im Unternehmen kostet dementsprechend das Unternehmen mehr als alles andere, daher rückt der Fokus automatisch auf den Mitarbeiter. Was beeinflusst den Mitarbeiter in erster Linie: sein Arbeitsplatz. Daher stellt sich automatisch die Frage: was beeinflusst den Arbeitsumfeld positiv und was negativ. Eigentlich nichts Neues, das Augenmerk wird darauf gerichtet und das Thema ins Rampenlicht gerückt und ein neues Label vergeben. Resümee: das neue Thema ist doch ein alt bekanntes, der Fokus hat sich nur verschoben.

Die Autorin
Dr. Gabriele Lüft
Head of Enviromental Consultancy EMEA
CBRE GmbH