19.10.2018
Stephan Winkler

Stephan Winkler, Geschäftsführer der ITP Real Estate GmbH, München, mit interessanten Gedanken zum Einzelhandelssterben und innovativen Lösungsansätzen

Die City ist tot – es lebe die City!

Selten wurde auf der ExpoReal ein Thema so intensiv diskutiert – oder soll man sagen, strapaziert – wie die Zukunft der Innenstädte. Die Einen sehen den schon häufig prognostizierten Untergang des stationären Handels...

...der automatisch eine schleichende Verödung der Zentren nach sich zieht – und das mit dramatischen Folgen für zahlreiche Einzelhändler und nicht zuletzt für den Markt für Gewerbeimmobilien.

Die Anderen – und es werden derer wieder mehr – glauben, schon wieder Zeichen erkennen zu können für eine Renaissance der Innenstädte und verbreiten „Zweck“- Optimismus der feinsten Art.

Nun, die Wahrheit liegt aus meiner Sicht, wie so oft, irgendwo in der Mitte. Unstrittig ist, dass der stationäre Handel und hier vor allem die Kernbereiche Mode, Schuhe, Kosmetik, Bücher und Lifestyle generell massive Probleme hat. Stopp – schon diese Aussage ist zu allgemein! Bei näherer Betrachtung haben diejenigen Probleme, deren Hauptvertriebskanal der stationäre Handel war und – mehr oder weniger – immer noch ist. Denn der Konsum bzw. Umsatz in all den genannten Branchen ist keineswegs rückläufig, sondern mindestens stabil bzw. sogar leicht steigend. Aber die Absatzkanäle haben sich teilweise dramatisch verändert: allein der Online - Handel verzeichnet kontinuierlich deutlich zweistellige Zuwachsraten.

Die Situation und ihre Konsequenzen:

  1. Viele große Händler, aber auch zahlreiche Hersteller haben den Einstieg in das digitale Zeitalter schlichtweg verschlafen. Aktuelle Beispiele wie SEARS in USA oder K+L Ruppert in Deutschland auf der Handelsseite sind nur die jüngsten Hiobsbotschaften in einer immer noch größer werdenden Liste.
  2. In den nächsten 8 - 10 Jahren werden nach unseren Schätzungen ca. 35 % des stationären Handels in Deutschland verschwinden und damit ca. 25 % aller Verkaufsflächen leer stehen (1).
  3. Dabei reden wir nach unseren Berechnungen über mindestens 4 Millionen Quadratmeter Einzelhandelsfläche! Dies entspricht ca. 20.000 Shops à 200 qm oder 200 Shopping - Malls à 20.000 qm oder oder…

Was das gerade für kleinere, bereits heute wenig attraktive Städte bedeutet, kann sich jeder vorstellen.

Soweit die eine Seite der Medaille, die in ihren Eckdaten unstrittig sein dürfte, wirklich dramatische Folgen haben wird.

Die andere Seite jedoch ergibt – gerade in dieser Krise – ein ganzes Spektrum an neuen Möglichkeiten, Chancen und Optionen:

Jeder Immobilienentwickler, jede Stadt und letztlich auch jedes handelnde Unternehmen muss sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wie sein / ihr Kerngeschäft in – sagen wir – 10 Jahren aussehen wird.

Denn nur auf der Grundlage einer engen Zusammenarbeit aller Beteiligten werden gute Ergebnisse entstehen. Die ITP - Gruppe beschäftigt sich – neben der Entwicklung von Wohnimmobilien – bereits seit Jahren mit diesem Thema.

Drei Kernthesen möchte ich herausstellen:

  1. Wir werden in Deutschland keine amerikanischen Verhältnisse bekommen. Einer restlosen Verödung bestimmter Innenstädte, wie man sie in USA teilweise erleben kann, steht hier immer noch eine besondere Konsum - Kultur im städtischen Zentrum gegenüber, die vor allem im letzten Jahrhundert geprägt wurde. Unsere Konsumenten besuchen gerne Innenstädte, nehmen sich Zeit für einen Ausflug und lassen sich inspirieren – vorausgesetzt, ihre Erwartungen in Sachen Unterhaltung, Abwechslung, Information und Service werden erfüllt.
  2. Dennoch wird sich – schon sehr bald – die sog. Spreu vom Weizen trennen. Das heißt, Städte und Kommunen, die sich nicht sehr zeitnah und intensiv mit ihrem Reanimationsprogramm auseinandersetzen, werden ohnmächtig der Verödung ihrer Innenstädte zuzusehen müssen. Leer stehende Geschäfte, gar noch mit blinden Schaufenstern, sind schon heute keine Ausnahme und Gift für jede Form von Einkaufserlebnis.
  3. Es gibt kein allgemein gültiges Rezept für die erfolgreiche Reanimation einer Innenstadt. Fest steht aber, dass solche Städte, die ein „touristisches Potential“ haben und dies auch konsequent nutzen, weitaus besser gegen den schleichenden Verfall gefeit sind.

Die ITP hat für ihr neues Outlet - Department ein Team von erfahrenen Spezialisten aus Industrie, Handel, Stadtplanung und Bauwirtschaft zusammengestellt, das sich darauf fokussiert hat, sorgfältig ausgewählte Innenstädte in einem komplexen Verfahren zu „reanimieren“. Unser Schlüssel dabei ist das Thema „CITY OUTLET CENTER", kurz COC, eine so in Deutschland noch nicht existierende Form von Einzelhandel.

Die neue Formel: Erlebnis pro Quadratmeter

Eins möchte ich betonen: unsere City Outlet Center - Strategie ist keineswegs nur eine andere Form von Billigverkauf, denn billig kann heute jeder! Im Gegenteil, unser Maßstab für nachhaltigen Erfolg definiert sich weniger über Umsatz pro Quadratmeter sondern vielmehr über Erlebnis pro Quadratmeter!

Diese Formel gilt nach meiner Überzeugung übrigens heute für jede Form von stationärem Handel.

Hinzu kommen 10 wichtige Kriterien für ein City Outlet Center, die ein guter Standort erfüllen sollte. Hier unsere Check - Liste:

  • Gute innerstädtische Lage
  • Ausreichende Anzahl von Parkplätzen
  • Attraktive Marken, spannender Mieter - Mix
  • Kaufkraftstarkes Umfeld
  • Mindestens 7.000 qm Verkaufsfläche plus Erweiterungsmöglichkeiten
  • Vernünftige Mieten trotz gehobenem Ausbaustandard
  • Gute verkehrstechnische Erreichbarkeit
  • Weitere touristische Attraktionen in der Stadt bzw. im näheren Umfeld
  • Diverse zusätzliche Services
  • Besondere Attraktionen für die ganze Familie im Center oder nahem Umfeld

Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine neue Dimension des Einkaufens im Dreiklang von Erlebnis, Preis und attraktiven Marken erreicht werden.

Übrigens: Outlet - Center sind in anderen Ländern sowohl auf der grünen Wiese als auch stadtnah eine Selbstverständlichkeit und zählen in Europa längst mit einem Anteil von deutlich mehr als 10 % zu den etablierten Absatzkanälen.

Nicht so in Deutschland, hier schätzen die Marktkenner den Anteil am gesamten Einzelhandel auf maximal 2,5 %. Dabei ist keineswegs der fehlende Bedarf die Ursache, sondern vielmehr die restriktive Politik der Städte, Kommunen und Verwaltungen.

So wurde schon 2016 ermittelt, dass die durchschnittlich Genehmigungszeit für ein Outlet in Deutschland in der Vergangenheit etwa 7 1/2 Jahre betrug.

Auch hier setzt unsere COC - Strategie neue Zeichen, denn wir bevorzugen bereits bestehende Handelsflächen in den Innenstädten mit entsprechend intaktem Umfeld. Und schätzen das Potential allein in Deutschland auf mindestens 30 solcher Standorte.

Fazit:

Deshalb wird es in der Zukunft keineswegs nur um die Grundsatzfrage „Online oder Offline“ gehen, sondern die Ziele müssen sein:

• Die nachhaltige Wiederbelebung der Innenstädte

• Der Stopp des Wertverfalls zahlreicher Handels - Immobilien

• Und letztlich die Entwicklung innovativer Retail - Formate und Innenstadtkonzepte

Unsere Spezialisten sehen einen völlig neuen Mix aller Absatzkanäle, die sich gegenseitig unterstützen, die eng kooperieren und mit Kultur und Lifestyle eine neue, einzigartige Symbiose eingehen. Denn:

Die City ist tot – es lebe die City.

 

(1) (Quellen: BBE, IPH, GFK, ITG – Research)

Der Autor
Stephan Winkler
Geschäftsführer
ITP Real Estate GmbH, München