05.10.2018
Karsten Kayser

Eine neue Straßenbahnlinie fördert das Zusammenwachsen von Straßburg und Kehl und die Entwicklung Straßburgs entlang des Rheins.

Die Tram als Mittel der Stadtentwicklung

Der Bau der grenzüberschreitenden Straßenbahnlinie von Straßburg nach Kehl ist nicht nur ein beeindruckendes Zeichen interkommunaler Zusammenarbeit in Europa, sondern auch ein Beispiel für die Erschließung neuer Flächen durch neue Verkehrsinfrastruktur.

Städte Straßburg und Kehl haben eine wechselhafte Vergangenheit, die über Jahrhunderte durch die Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich um die Vorherrschaft am Oberrhein geprägt war. Das Verhältnis der beiden Nachbarstädte ist daher stets auch ein Spiegel der Geschichte. Bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entstand eine Straßenbahnverbindung aus dem damals deutschen Straßburg nach Kehl. Zwei Weltkriege und deren Folgen führten dann zunächst zu einer getrennten Entwicklung beider Städte, der Rhein als Staatsgrenze war zugleich als Barriere zwischen den beiden Städten, die sich getrennt voneinander entwickelten, spürbar.

Mit der zunehmenden Vertiefung der europäischen Integration wuchs am Oberrhein der Wille zu einer vertieften Zusammenarbeit. Nach Wiedereinführung der Straßenbahn in Straßburg nahmen die Planungen für den Bau einer grenzüberschreitenden Straßenbahn ab 2008 Fahrt auf: 2012 schlossen die beiden Städte eine Kooperationsvereinbarung, 2014 war Baubeginn. Seit April 2017 fährt die Tram über die neu errichtete, nach dem Schlettstadter Philosophen Beatus Rhenanus benannte Brücke bis zum Hauptbahnhof Kehl. Ende dieses Jahres wird die verlängerte Tram bis zum Rathaus in der Kehler Innenstadt fahren.

Mit der Realisierung dieses Projektes haben Straßburg und Kehl unter Beweis gestellt, dass interkommunale Kooperationen zum Erfolg aller Beteiligten umgesetzt werden können, selbst wenn hierzu neben dem Rhein auch eine Vielzahl technischer, rechtlicher und politischer Hürden zu überwinden ist. Ein zwischenstaatliches Abkommen ermöglicht deutschen und französischen Kommunen die grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit, auf deren Grundlage die Kooperationsvereinbarung und weitere Verträge u.a. zur grenzüberschreitenden Vergabe der Planungs- und Bauleistungen abgeschlossen wurden. Die Kosten der Tram nach Kehl betragen ca. 107 Mio. EUR, darunter 24 Mio. EUR für die neue Brücke. Die Kosten teilten sich die Städte entsprechend ihres territorialen Anteils an der neuen Strecke.

Gerade für Straßburg erfüllt die neue Tramlinie jedoch weitere wichtige Zwecke. Entlang der neuen Straßenbahnstrecke entwickelt die Stadt Straßburg im Bereich des Rheinhafens, der jahrzehntelang durch Industrie, Militär und Brachflächen gekennzeichnet war, ein neues Stadtquartier. Die traditionell an der Ill gelegene Stadt erweitert sich hierdurch nach Osten und entwickelt gemeinsam mit Kehl entlang des Rheins auf einer Fläche von ca. 250 ha ein neues, binationales Quartier. Neben Wohnvierteln werden auch Flächen für gewerbliche und kulturelle Nutzungen geschaffen. Im vergangenen Jahr eröffnete bereits das neue Rhena-Krankenhaus, das zweitgrößte Krankenhaus Straßburgs, seine Pforten. Insgesamt plant die Stadt Straßburg Wohnraum für bis zu 20.000 Bewohner. Zudem sollen bis zu 8.500 neue Arbeitsplätze entstehen.

Straßburg hat mit der Straßenbahn nach Kehl bewusst auch dieses bislang noch unbebaute und wenig erschlossene Gebiet des „Port du Rhin“ erschlossen. Die Straßenbahn soll nicht nur den öffentlichen Nahverkehr verbessern und insbesondere die Anbindung der beiden Nachbarstädte verbessern, sondern gerade auch innerhalb Straßburgs Motor für die Stadtentwicklung sein. Die neue Straßenbahn ist damit zugleich Vorreiter für die Erschließung der neuen Stadtteile Straßburgs entlang des Rheins als auch für die Entwicklung eines grenzüberschreitenden Städtebauprojekts.

Menold Bezler Rechtsanwälte hat zunächst die Compagnie des Transports Strasbourgeois (CTS) bei der Konzeption der Verträge und des Vergabeverfahrens zur Realisierung des grenzüberschreitenden Projekts beraten. Im Anschluss hat Menold Bezler Rechtsanwälte für die Stadt Kehl bei der Realisierung des zweiten Bauabschnitts vom Kehler Bahnhof in die Innenstadt die vergabe- und vertragsrechtliche Beratung und Verfahrenssteuerung übernommen.

 

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Der Autor
Dr. Karsten Kayser
Rechtsanwalt und Partner
Menold Bezler Rechtsanwälte