11.10.2018
Jörg Fischer

Strategien für den knappen Raum in Ballungszentren

Die Zukunft der Pflege in urbanen Quartieren

Knappe, teure Grundstücke, steigende Baukosten und zu geringe Investitionskostenzuschüsse - der Neubau von Pflegeeinrichtungen in den Metropolen ist herausfordernd. Wie reagieren Entwickler und Betreiber darauf?

Die demografische Entwicklung verläuft zwar regional recht ungleich, betrifft aber doch ganz Deutschland und wird dafür sorgen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2030 auf etwa 4 Millionen Menschen steigen wird. Mit ambulanter Versorgung allein wird dieser Bedarf nicht zu decken sein. Experten sehen einen zusätzlichen Bedarf von 260.000 bis 320.000 stationären Pflegeplätzen bis zum Jahr 2030 (Pflegeheim-Atlas 2016). Allerdings wird derzeit nur schätzungsweise jeder zweite benötigte Platz auch tatsächlich gebaut.

Besonders in den gefragten Metropolen wie Berlin, Hamburg, München oder Köln sind Grundstücke mittlerweile sehr rar und extrem teuer geworden, mit Preisanstiegen um bis zu 30 % in den letzten zwei Jahren. Auch die Baukosten sind bundeseinheitlich stark gestiegen. Währenddessen hat sich aber der Investitionskostenzuschuss der Pflegekassen nicht erhöht, sondern stagniert seit Jahren. Die Entwicklung von Mieten und Pacht im Pflegebereich hinkt den – teils drastisch - gestiegenen Mieten im Wohnungsmarkt hinterher. So sinkt der Anreiz für Kapitalgeber, in teure Regionen zu investieren, mit dem Ergebnis, dass in den Ballungszentren kaum neue Pflegeeinrichtungen gebaut und bestehende Pflegeheime teilweise aus den hochpreisigen Innenstadtlagen verdrängt werden.

Viele Entwickler und Betreiber setzen daher in den Ballungszentren vermehrt auf einen kleinteiligeren Angebotsmix aus ambulant betreuten Wohnungen, WGs, Kurzzeit-, Verhinderungs-, Nacht- und Tagespflege. Diese Wohnformen unterliegen nicht alle den strengen Anforderungen durch die Heimgesetzgebung und können sowohl baulich wie auch im Personalschlüssel flexibler betrieben werden. Außerdem werden ambulante und teilstationäre Betreuungsleistungen besser vergütet als im vollstationären Bereich.

Ambulante und teilstationäre Angebote sind sinnvoll, weil sie von den meisten Menschen gewünscht und von der Politik gewollt und gefördert werden. Sie können auch einen Mehrwert für das Quartier darstellen, etwa wenn die abends leer stehenden Räume einer Tagespflege für Kurse oder nachbarschaftliche Veranstaltungen genutzt werden. Doch können diese Angebote den Bedarf an vollstationärer Pflege nicht ersetzen, der mit der Zunahme hochaltriger Menschen weiterhin steigen wird. Da ist Einfallsreichtum gefragt.

Der Untersuchung und Entwicklung von Potentialen auf vorhandenen innerstädtischen Grundstücken kommt dabei eine große Bedeutung zu, auch als Aufgabe für die planenden Architekten. Kirchliche Träger haben hier Vorteile, da sie häufig im Besitz attraktiver innerstädtischer Grundstücke sind, die sie umwidmen, neu bebauen oder nachverdichten können. Private Anbieter müssen oft noch kreativer denken. So werden in letzter Zeit vermehrt Aufstockungen von Bestandbauten, wie z. B. von Parkhäusern, für den Bau betreuter Wohnungen oder auch stationärer Pflegeheime nachgefragt. Frei werdende Erdgeschossflächen – etwa durch den Rückgang des stationären Einzelhandels - lassen sich dagegen gut für neue Tagespflegeeinrichtungen nutzen.

Beim Neubau von Quartieren sollten vermehrt Sonderwohnformen wie WGs oder Cluster-Wohnungen integriert werden. Mittlerweile wird auch die Forderung laut, die Kommunen müssten in den Metropolen wegen des größeren Flächenbedarfs der Pflegeheime Grundstücke für den Neubau vorhalten und sie bei Konzeptvergaben stärker berücksichtigen.

Bei allen Nachverdichtungs- und Neubauplänen dürfen aber auch die zahlreichen älteren Pflegeheime nicht aus dem Blick geraten. Hier ist in den vergangenen Jahren ein erheblicher Modernisierungsstau entstanden, für den ebenfalls dringend Lösungen gefunden werden müssen um die benötigten Plätze in Zukunft bereitzustellen.

Der Autor
Jörg Fischer
Inhaber und Geschäftsführer
Feddersen Architekten