07.09.2018
Markus Diekow

"Getestet im Versuchslabor"

In Berlin entsteht mit cube berlin das intelligenteste Gebäude Europas

Am Berliner Hauptbahnhof errichtet CA Immo derzeit den cube berlin. Stadt und Branche sind gespannt. Markus Diekow, Leiter Unternehmenskommunikation von CA Immo Deutschland, im Interview.

Herr Diekow, alle reden vom cube berlin. Was bauen Sie da eigentlich am Berliner Hauptbahnhof?

Markus Diekow: Wenn man den Medien glauben darf, nicht weniger als "Europas schlaustes Gebäude". Tatsächlich errichten wir mit dem cube berlin ein sogenanntes Smart Commercial Building, das heißt ein Bürogebäude, das durch eine Vielzahl von Sensoren sowohl die Nutzung durch den Mieter als auch den Betrieb des Gebäudes in vielerlei Hinsicht vereinfacht, optimiert und effizienter gestaltet. Es wäre aber deutlich zu kurz gesprungen, wenn man nun annehmen würde, dass wir mit dem cube berlin ein technisch hochgerüstetes Gebäude errichten. Tatsächlich setzen wir im Wesentlichen auf bewährte Technik, die aber dort, wo es einen echten Nutzen hat, durch Sensoren und digtale Lösungen ergänzt wird. Das wirklich Innovative und Neue am cube berlin ist jedoch, dass wir die gesamte Technik miteinander in einem sog. Brain - also einem Gehirn - vernetzen. Das Brain macht den cube berlin erst wirklich "smart". Das Brain ist eine künstliche Intelligenz, die nicht nur einen vorher definierten Betrieb des Gebäudes regelt, sondern das Verhalten seiner Nutzer, Umweltfaktoren und Betriebsvorgaben beständig analysiert und interpretiert. Dadurch optimiert es den Betrieb des Gebäudes fortwährend und ist in der Lage, den Nutzern und Betreibern Vorschläge zu unterbreiten, wie man zum Beispiel Räume effizienter oder energetisch sinnvoller Nutzen kann. Die Idee ist, dass dies sowohl dem Betreiber der Immobilie zu Gute kommt als auch und vor allem dem Nutzer, der über ein Cockpit jederzeit selbst die Daten einsehen kann. Mit Hilfe des Brains kann er sein Verhalten in der Mietfläche verändern und verbessern. Mit diesem Konzept betreten wir in der Immobilienbranche absolutes Neuland.

 

Wäre es falsch zu sagen, dass Sie da ein Versuchslabor einrichten?

Markus Diekow [lacht]: Ganz falsch ist das sicher nicht. Gleichzeitig sind wir uns aber natürlich bewusst, dass wir den Betrieb des cube berlin nicht als Versuchslabor gestalten können. Jeder Mieter kann schon heute davon ausgehen, dass das Gebäude mit seiner Fertigstellung auch funktioniert. Um dies sicherzustellen, haben wir es technisch gesehen bereits im Sommer 2017 in Betrieb genommen. Hierzu haben wir gemeinsam mit Drees & Sommer, die uns bei der Digitalisierung des cube berlin beraten, an der RWTH Aachen tatsächlich ein Versuchslabor eingerichtet. Hier testen wir seitdem intensiv alle Systeme - insbesondere auch im Zusammenspiel miteinander. Eine Herausforderung bei diesem Projekt ist nämlich unter anderem, dass die Systeme miteinander kommunizieren. Die meisten Hersteller tendieren dazu, proprietäre Kommunikationsschnittstellen zu entwickeln - was auch aus Sicht der Hersteller Sinn zu machen scheint, aber eben nicht, wenn die Systeme miteinander kommunizieren wollen. Es war nicht immer ganz einfach die Hersteller von dieser Notwendigkeit zu überzeugen - andere haben darin allerdings auch schnell die Chance für sich erkannt. In dieser Versuchsumgebung beschäftigen wir uns übrigens auch mit einem weiteren, noch recht neuen Thema: der sog. Cyber Security. Während wir es in der Immobilienbranche bisher im Wesentlichen mit mechanischen Sicherheitsfragen wie Feuer oder Einbruch zu tun hatten, stellt bei einem Smart Commercial Building der Angriff auf die Daten und Computertechnik ein Risiko dar. Hier gilt es, einen wirksamen Schutz zu entwickeln. Aus diesem Grunde unterziehen wir den cube berlin schon heute intensiven Penetrationstests durch professionelle IT-Fachleute - man könnte auch sagen Hacker ...

 

Wie wichtig war hier die Zusammenarbeit mit Dritten, ich denke hier an Startups und Universitäten?

Markus Diekow: Sehr wichtig, denn wir als Projektentwickler können zwar Ideen haben und unsere Erfahrungen einbringen, wir können auch die Bedürfnisse unserer Nutzer analysieren und neue Angebote formulieren, aber immer dann, wenn man wirklich innovative Produkte, gerade auch im technische Bereich entwickeln möchte, sollte man über den eigenen Tellerrand hinaus schauen - und zwar dahin, wo täglich nichts anderes gemacht wird als Neues auszuprobieren. Daher haben wir beim cube berlin zunächst einmal analysiert, welchen Nutzen die Digitalisierung eines Gebäudes haben kann. Und da wurde uns recht schnell klar, dass wir nicht so sehr überlegen sollten, wie ein bisher analoger Prozess künftig digital ablaufen könnte, sondern viel mehr, was wir durch die Digitalisierung tun können, was wir bisher nicht tun, ja vielleicht noch nicht einmal denken konnten. Und dann sind Sie eigentlich recht schnell bei Thema Künstlicher Intelligenz. Denn nur diese ist tatsächlich in der Lage, die unfassbar vielen Daten, die uns Sensoren heute liefern können in kürzester Zeit zu analysieren, zu clustern und schließlich daraus Handlungen oder Handlungsempfehlungen abzuleiten. Hierfür brauchten wir also einen Partner, der sich dabei auskennt und gleichzeitig auch in der Lage ist, in immobilienwirtschaftlichen Kategorien zu denken. So stießen wir auf das Startup Think Technologies, die mit ihrer Thing-it-Software nun gemeinsam mit uns das Brain aber auch die App, über die cube berlin bedient werden kann, entwickeln.

 

Wie ist der Vorvermietungsstand und wissen Ihre Mieter, worauf sie sich einlassen?

Markus Diekow: Ja, sicher - wir sind ja auch stolz auf diese Entwicklung und möchten daher natürlich auch, dass die Mieter die Möglichkeiten auch nutzen. Natürlich gibt es teils auch Skepsis, nicht nur, weil es Neuland ist, sondern weil es auch Fragen zur Datensicherheit und zum Datenschutz gibt. Gerade das letztere Thema derzeit wird nicht zuletzt durch die EU-weite Einführung der Datenschutzgrundverordnung weit über diesen konkreten Kontext hinaus allerorten diskutiert. Aber natürlich tragen wir dem im cube berlin auch Rechnung. Es wäre aber falsch zu behaupten, dass wir heute schon wissen, wie alle neuen Möglichkeiten künftig von den Mietern angenommen und schließlich auch beurteilt werden. Da gilt es dann im Betrieb Erfahrungen zu sammeln und ggf. hier und da auch nachzujustieren. Der aktuelle Vorvermietungsstand liegt bei rund 60%. Also ein überaus befriedigender Wert.

 

Wenn cube berlin ein Erfolg wird, entwickeln Sie dann künftig alle Projekte 'smart'?

Markus Diekow: Da warten wir den Erfolg des cube berlin nicht erst ab. Das wäre auch ein Fehler, denn die Entwicklung eines Gebäudes erfolgt nicht von heute auf morgen, sondern braucht entsprechende Entwicklungszeit. Das heißt, wir werden auch in anderen aktuellen Projektentwicklungen bereits smarte Technik und Sensorik einsetzen - gleichwohl nicht immer im gleichen Ausmaß wie im cube berlin. Nicht vergessen dürfen wir aber den Bestand. Letztlich bildet die Projektentwicklung ja nur einen sehr kleinen Prozentsatz der Immobilienwirtschaft ab. Und gerade für ein Unternehmen wie die CA Immo mit mehreren Millionen Quadratmetern Bestandsfläche, stellt sich immer wieder die Frage, wie wir auch Bestandsgebäude up to date halten. Und dafür ist die im Wesentlichen software-basierende Lösung, die wir im cube berlin entwickelt habe, gerade zu ideal. Das heißt konkret, dass wir auch bereits prüfen werden, wie wir auch unsere Bestandsgebäude "smart" machen können. Letztlich geht es uns mit der Entwicklung dieser Technologie auch um die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in einer zunehmend digitalisierten Welt. Und dabei gilt es eben nicht vormals analoge Prozesse nun digital zu machen, sondern zu analysieren, welche neuen Chancen in der Digitalisierung für die Immobilienwirtschaft stecken. Dem kreativen, analytischen und letztlich dann wirtschaftlichen Umgang mit Daten wird dabei eine besondere Rolle zukommen.

 

Der Autor
Markus Diekow
Leiter Unternehmenskommunikation
CA Immo Deutschland GmbH