Der Autor
Michael Ehret FRICSAufsichtsrat, ehret + klein
Wenn es um Trends für Wohnen und Arbeiten, wenn es um die Ansiedelung der kreativen Szene geht, blicken wir gerne in die USA oder vergleichen München allzu oft mit dem „hippen Berlin“. Dabei hat gerade unsere Region im Münchner Süd-Westen nachweislich all das, was eine lebenswerte Region ausmacht.
Forbes hat kürzlich in seiner 12. Ausgabe des „Monocle - Quality of Life Survey“ München zur weltweit lebenswertesten Stadt gekürt - und das vor Tokio, Wien, Zürich, Kopenhagen, Berlin, Madrid und Melbourne. Die Studie vergleicht jährlich große und kleine Städte, unter anderem im Hinblick auf Work-Life Balance, glückliche Bewohner und ein effektives öffentliches Transportsystem. Des Weiteren ausschlaggebend für den ersten Platz ist die hohe Internationalität mit 18 Universitäten und einem höheren prozentualen Anteil an internationalen Bewohnern als Berlin. Die Stadt und ihre Region haben Strahl- und Anziehungskraft.
Die Besinnung auf die Begabungen der Metropolregion München – mit ihren vielfältigen Landkreisen, der Landehauptstadt München sowie den charaktervollen Gemeinden und Städten - - hat namhafte Unternehmen dazu veranlasst, gerade im Süd-Westen zu expandieren und ihren Standort genau in dieser Region zu festigen. Seit geraumer Zeit zeichnet sich ab, dass junge Unternehmen und Spin-Offs etablierter Unternehmen und Hochschulen sich ansiedeln und am Standort verwurzeln, beziehungsweise sich vergrößern. Was wir feststellen ist, dass Standortentscheidungen immer stärker für die Mitarbeiter getroffen werden und deshalb Urbanität und Lebensqualität auch in der Region gesucht werden.
Unsere Beobachtung ist, dass nicht nur die ansässigen, erfolgreichen Weltmarktführer in der Region Süd-West die kreative Elite immer stärker anziehen und halten. Im schnelllebigen und digitalen Zeitalter ist in der Region die notwendige Rückzugsmöglichkeit geboten, um die Work-Life-Balance tatsächlich leben zu können. Dies geschieht, ohne auf Komfort, Individualität, Kultur und Moderne verzichten zu müssen. Auch der Standortfaktor Sicherheit wird in der Region rund um München stark wahrgenommen. Fazit ist: Unternehmen in der Region Süd-West wachsen und suchen Fachkräfte und Auszubildende. Eine Arbeitslosenquote unter 4% und noch niedriger bei jungen Arbeitskräften verdeutlicht dies.
Durch flächendeckende und leistungsfähige Datennetze kann von jedem Standort aus gearbeitet werden. Neue Formen der Mobilität entstehen und werden durch die Unternehmen auch oft privat gefördert. Lange Wegstrecken zur Arbeit und Pendelfahrten in die Ballungsräume hinein werden so deutlich optimiert.
Wir von ehret + klein stellen uns als Projektentwickler unermüdlich die Frage, wie schaffen wir mit dem vorherrschenden kreativen Milieu einen Motor für die urbane Entwicklung der Region? Welche Ansprüche an Aufenthaltsqualitäten, Arbeitsumgebungen, Architektur und Individualität stellen junge, kreative und etablierte Unternehmen und ihre Mitarbeiter? Wie werden künftige Generationen, die sich zur Szene entwickeln, leben und auch arbeiten wollen? Wo genau liegt die Begabung der Region, und woran erkennt man gute Quartiere?
Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Zukunfts-Trends und Lebensmodelle zu erkennen, entsprechende Nutzungskonzepte zu entwickeln und in enger Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort und den zukünftigen Nutzern in nachhaltige Konzepte und Architekturen zu übersetzen.
Die anonymen, austauschbaren Unternehmens- und Arbeitswelten unserer Städte und die kommerzielle Architektur werden immer unbeliebter und sind oftmals sinnlos gerasterte Hüllen ohne Wert. Architektur sollte aus der Interaktion mit Bürgern, Nutzern und Nachbarschaften entstehen, um Ankerplätze und Orte zu schaffen, individuelle Adressen zu bilden und um den Nutzern die Identifikation zu ermöglichen und die Wertigkeit des Ortes zu vermitteln. Arbeit, Freizeit und privates Leben verschmelzen nahezu und finden in ein- und derselben Region statt.
Auch München und sein Umland sind modern und ständig in Bewegung. Die Bewohner arbeiten in dieser Welt lokal, global und digital. Wir bewegen uns heute immer stärker in digitalen, sozialen Netzen, stark beschleunigt von der Informationsflut. Wir brauchen die Möglichkeit zum Rückzug, Orte der Ruhe, Sicherheit und Geborgenheit. Wir müssen Pufferzonen schaffen zwischen Privat und Öffentlich - aber gleichzeitig lösen sich Arbeits- und Privatwelt immer mehr auf. Nutzer wollen ihr soziales Umfeld als Ganzes mitgestalten - und zwar in unmittelbarer Nähe.
Und immer wieder schauen wir in die USA, anstatt uns auf uns zu besinnen. Silicon Valley ist ein bedeutender Standort der IT- und High-Tech-Industrie und gehört zur Metropolregion San Francisco. Die Entwicklung war und ist getrieben durch die Universitäten und die Etablierung von Unternehmen, die sich aus und mit der Hochschullandschaft weiterentwickelten. Teckies, Hippies, Lifestyle und viel Natur trugen dazu bei, dass sich dort die kreative Elite wohl fühlt. Die Region hat Unternehmen und Innovationen hervorgebracht und zeigt uns auf, welche Wirkungen aus dem digitalen Wandel auf uns zukommen. Wir sind wie gebannt über die Erfolgsrezepte und Treiber dieser boomenden Internetwirtschaft.
Wir können vom Silicon Valley lernen und sollten es nicht kopieren. Wir vereinen zwischen den Seen im Münchener Süd-Westen etablierte Weltmarktführer aus Industrie und Dienstleistung, hochschulbasierte und private Forschungs- und Entwicklungszentren, hippe Start-Ups und die kluge, kreative Szene.
Stadt- sowie Quartiersentwicklung und die damit einhergehende, urbane Projektentwicklung sind für uns mit viel Neugierde verbunden; und es gilt zur Realisierung nachhaltiger Projekte neue Orte zu entdecken. Gefragt sind innovative Gesamtstrategien zum Thema Wohnen, Digitalisierung, Mobilität, Gesundheit, Bildung sowie neues Arbeiten.
Dezentrale, unentdeckte Orte mit großem Potential zu finden und preisbewusst qualitätsreich Neues zu schaffen ist attraktiv für die Unternehmensansiedlung und die Entstehung neuer Quartiere. Die kreativen Unternehmen, junge ebenso wie etablierte, agieren wie Schwärme, sie befinden sich alle in dynamischen Entwicklungsprozessen.
Wir müssen Silicon Valley nicht kopieren – sondern kapieren!