13.07.2018
Markus Vogel

Hauptstadt im Boom: Wohin mit den Büroangestellten?

Das dreifache Dilemma Berlins – Ein Plädoyer für mehr Verständnis

Die Zeiten, in denen sich Investoren von Büroimmobilien fernhielten, sind in Berlin schon lange vorbei. In den letzten Jahren stieg mit der florierenden Wirtschaft der Bedarf an Büroflächen um ein Vielfaches.

Berlin zieht mit der guten Konjunktur neue Unternehmen an und die bestehenden expandieren. Allein in Berlin wuchs die Anzahl der Bürobeschäftigten zwischen 2012 und 2017 um 14,8 Prozent an, Tendenz weiter steigend.[1]

Sonnige Aussichten also für den Büromarkt? Nicht ganz. Mit der wieder angekurbelten Konjunktur sind in Berlin die verfügbaren Büroflächen fast verschwunden, und der Leerstand schmilzt zusammen. Mit unter 2 Prozent besteht in Berlin de facto Vollvermietung. Gleichzeitig brachen 2017 die Fertigstellungszahlen von Büroflächen ein! So wurden 135.000 Quadratmeter Neubaufläche fertiggestellt, was einem Rückgang von rund 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.[2]

Für Unternehmen, die expandieren oder sich in Berlin niederlassen wollen, sind das keine guten Nachrichten. Die Preise für Büroflächen kennen bei dem Mangel nur eine Richtung: Aufwärts. So konnten bei den Spitzenmieten für Büroflächen in Berlin bereits mehr als 30 Euro pro Quadratmeter verzeichnet werden.[3] Und selbst wenn der Neubau jetzt anziehen würde, würde es dauern, bis die Gebäude fertiggestellt wären. Zwischen 2019 und 2022 werden zwar diverse Neubauprojekte realisiert, diese haben allerdings schon jetzt hohe Vorvermietungsquoten, so dass nur rund 20 bis 25 Prozent der Flächen nach Fertigstellung als Leerstand zur Vermietung auf den Markt kommen werden.[4] Die Gefahr, dass Unternehmen sich von Berlin abwenden oder Expansionspläne auf Eis legen, ist ganz real.

Haben nun die Projektentwickler es versäumt rechtzeitig Projekte anzuschieben? In der Branche werden immer wieder drei Gründe für die Stagnation beim Neubau von Büroflächen genannt. Erstens: Das Fehlen innerstädtischer Baugrundstücke; zweitens: Die politische Festlegung auf den Wohnungsbau als Kernthema der aktuellen Landesregierung; drittens: Die zeitaufwendige, bürokratische Kommunikation mit den Behörden in Verbindung mit sehr langen Planungs- und Genehmigungsverfahren, die die ohnehin schon hohen Baukosten weiter in die Höhe treiben.

Das dreifache Dilemma der Verwaltung

Bei der Verfügbarkeit von Baugrundstücken steht die Verwaltung vor ihrem ersten Dilemma, das direkt zum zweiten Dilemma führt. Denn der akute Wohnungsmangel in Berlin setzt die Politik unter Druck, mehr Wohnraum zu schaffen. Politisch betrachtet, verlangen die Wähler der rot-rot-grünen Landesregierung vor allem die Schaffung von günstigem Wohnraum. Günstiger Wohnraum braucht aber günstiges Bauland, und das kann eben nur einmal vergeben werden. Die Lobby für Büro- und Gewerbeflächen ist im Vergleich dazu eher klein. Auch rein faktisch – und frei von jeder politischen Agenda – ist die Konkurrenz von Wohnungs- und Bürobau in der derzeitigen Situation unvermeidlich und erzeugt weiteren Druck auf dem Markt.

In der Vergangenheit wurden auch Bürohäuser und ihre Standorte in Wohnhäuser und Wohnbauflächen umgewandelt und in innerstädtischen Lagen der Wohnungsbau ganz generell bevorzugt. Hier zeigt sich das bereits heute so deutlich spürbare Dilemma. Gerade für Berlin ist aber die Mischung von Gewerbe und Wohnen Tradition. So gesehen bedarf es bei der Flächenvergabe und bei der Erstellung von B-Plänen trotz des aktuellen Drucks eine ausgewogene Haltung im Sinne dieser Berliner Mischung.

Das dritte Dilemma ist der bürokratische Aufwand, dem sich Planung und Errichtung von Neubauprojekten in Berlin stellen müssen. Es stimmt, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren sich in die Länge ziehen. Der Senat und die Bezirke sind dabei nicht unwillig, diese Verfahren zu beschleunigen. Denn auch sie suchen händeringend nach Planern und Bauexperten. Allerdings kennt nicht nur die Bauwirtschaft den Mangel an Fachkräften. In der Verwaltung wurden gerade diese Stellen in den vergangenen Jahren durch den Sparkurs der Hauptstadt eingespart. Die Folgen sind heute, dass Ansprechpartner schwer zu erreichen sind und sich die Vorhaben auf den Tischen stapeln, da die Verwaltung immer noch chronisch unterbesetzt ist. Die zwischenzeitlich vielerorts eingestellten neuen Mitarbeiter werden mittelfristig helfen, im Alltag sind sie aber noch dabei, sich einzuarbeiten.

Verständnis und Initiative gleichermaßen – durch die Immobilienwirtschaft

Vor diesem Hintergrund zeigt die Erfahrung, dass es sich immer lohnt, frühzeitig auf die Verwaltung zuzugehen. Für die Immobilienwirtschaft heißt das in Berlin, etwas mehr Verständnis für die Verwaltung des Senats und der Bezirke zu zeigen und Terminpläne auf „Berliner Verhältnisse“ zu justieren. Aus eigener Erfahrung zeigen sogar Finanzierungspartner bei Entwicklungsprojekten und Endfinanzierungen Verständnis, wenn Entwicklungs- und Planungsverfahren in der Hauptstadt vergleichsweise lange dauern.

Mit dem Wissen um die politische Dimension eines jeden Bauprojektes bedeutet das auch in der Branche nicht immer beliebte Themen wie Bürgerbeteiligungen und Abstimmungsrunden auf vielen Ebenen der Verwaltung frühzeitig mit einzuplanen. Denn der Dialog mit der zuständigen Verwaltung wird dabei oft vergessen. Darüber hinaus hilft es immer, auch die politischen Ebenen bei den Vorhaben mitzunehmen, was am Ende wieder eine Menge Zeit sparen kann. Partizipation und Dialog kosten zwar Geld und Zeit, aber: Am Ende wird auch in Berlin gebaut – die Geduldigen werden belohnt.

[1] ZIA Frühjahrsgutachten 2018: https://zia-cloud.de/data/public/fjg2018

[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/245072/umfrage/fertigstellung-von-bueroflaechen-in-berlin/ Das Frühjahrsgutachten des ZIA spricht von 34,3 %

[3] https://www.colliers.de/wp-content/uploads/2018/01/immobilienmarkt-berlin-q4-2017-colliers-180130.pdf

[4] https://www.angermann.de/immobiliendienstleistungen/marktdaten/bueromarkt-berlin/

Der Autor
Dr. Markus Vogel
Geschäftsführer
BÜRO DR. VOGEL GMBH