18.05.2018
Martin Birkert

7. Deutscher Logistikimmobilien-Kongress 2018

Logistikimmobilien: Chancen und Herausforderungen für das nächste Jahrzehnt

Wie werden Logistikimmobilien im Jahr 2030 aussehen? Welchen Anforderungen müssen sie gerecht werden, um sowohl die Versorgung der letzten Meile in den deutschen Ballungszentren als auch einen effizienten intralogistischen Warenfluss sicherzustellen?

Selbst die Vordenker der Branche können diese Fragen nicht zur Gänze beantworten. Dennoch ist eine solche gedankliche Zeitreise unbedingt nötig. Schließlich lassen sich Trends und Herausforderungen ableiten, auf die die Entwickler von Logistikimmobilien nicht erst in zehn Jahren, sondern bereits jetzt reagieren müssen. Denn was momentan unter die Rubrik Innovation fällt, wird sich in Zukunft mit großer Sicherheit als Standard etablieren.

Einer der wichtigsten Megatrends für die Logistikbranche ist die fortschreitende Reurbanisierung – die deutschen Metropolen wachsen stetig weiter, allein Berlin wird bis zum Jahr 2030 voraussichtlich 157.000 Einwohner hinzugewinnen.

Vor allem der rasant wachsende E-Commerce bewirkt, dass die Nachfrage nach modernen Logistikeinheiten stetig steigt. CBRE zufolge wurden im Jahr 2016 insgesamt 4,8 Millionen Quadratmeter durch Neubau umgesetzt, im Jahr 2017 waren es 4,2 Millionen Quadratmeter. Die europäische Ratingagentur Scope hat ermittelt, dass bis zum Jahr 2025 insgesamt 30 Millionen Quadratmeter Fläche umgesetzt werden müssen. Innerstädtische Grundstücke werden hingegen immer knapper und die steigenden Auflagen zur Flächenversiegelung sorgen dafür, dass die Kommunen nur noch in begrenztem Maße Bauland ausweisen können: Bis 2020 wird ein Flächenverbrauch von täglich 30 Hektar angestrebt, bis 2030 sollen dieser Wert auf 20 Hektar reduziert werden. Zusätzlich stehen Logistikimmobilienentwicklungen in direkter Konkurrenz zum dringend benötigten Wohnungs- und Büroneubau.

Die Reurbanisierung und der wachsende Online-Handel sorgen auch dafür, dass sich die bereits bestehende Verkehrsproblematik zukünftig noch deutlich zuspitzen wird. Nicht alle innerstädtischen Knotenpunkte können beliebig erweitert werden, und ohne moderne Infrastruktur- und Logistiklösungen droht der Verkehrsinfarkt durch steigende Paketvolumina.

Für Logistikimmobilienentwickler wird es zunehmend wichtig, ein engmaschiges Netz an modernen City-Logistik-Objekten zu entwickeln: Auf diese Weise würden alternative

Lieferwege und -methoden ermöglicht und so die innerstädtischen Verkehrsknotenpunkte entlastet. Gleichzeitig werden intelligente Flächenkonzepte immer relevanter. Dazu gehören Brownfield-Redevelopments und Umnutzungen stillgelegter Einzelhandelsflächen genauso wie ein Multi-Level-Ansatz. Durch die Mehrgeschossigkeit entsteht auch auf kleineren Grundstücken möglichst viel Nutzfläche. In Asien wurden bereits Lagerhallen mit 24 Stockwerken errichtet – hierzulande gehört eine zwei- bis dreistöckige Bauweise bereits zur Gegenwart.

Aber auch die Anforderungen an die Immobilie selbst steigen stetig. Treibende Kräfte sind vor allem die fortschreitende Digitalisierung und die neuen Technologien der Industrie 4.0. Dies ist mit einem stetig steigenden Automatisierungsgrad der Objekte verbunden. Kontinuierlich werden neue Systeme zur Roboterisierung des Warenflusses entwickelt und verfeinert – unter anderem trifft das auf automatische Hochregale sowie auf skalierbare Kommissioniersysteme zu, die sich frei im Raum bewegen.

Technologien wie diese ermöglichen eine deutliche Effizienzsteigerung im Vergleich zu menschlichen Arbeitern, doch ihr Betrieb ist äußerst komplex. Dasselbe gilt für die Immobilien, in denen diese Systeme zum Einsatz kommen. Der Entwickler muss die flächenmäßige Voraussetzung für einen reibungslosen Betrieb einer Kombination von gleich mehreren dieser Anlagen schaffen. Während beispielsweise ein Hochregal auf bis zu 40 Meter Höhe ausgelegt sein kann, muss die Deckenhöhe für eine Halle mit selbstfahrenden Pick-Robotern lediglich drei Meter betragen. Daher müssen die Systeme, beispielsweise in einer Multi-Level-Immobilie mit mehreren Zwischengeschossen, für die Pick-Roboter miteinander kombiniert werden.

Der Automatisierungsgrad wird über die Jahre kontinuierlich zunehmen. Noch wissen wir nicht, ob es sich bei der Logistikimmobilie im Jahr 2030 um ein teil- oder vollautomatisiertes Gebäude handeln wird. Fest steht jedoch, dass der steigende Automatisierungsgrad ganz neue Immobilientypen hervorbringen wird. Zudem sollten sich die Flächen flexibel umrüsten lassen, da einzelne Intralogistiksysteme eventuell ausgetauscht werden müssen.

Eine der maßgeblichen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen in den kommenden Jahren stellt die geplante Energiewende dar. Das Ziel des Pariser Abkommens ist ambitioniert: Bis zum Jahr 2050 darf die durch Menschen verursachte Klimaerwärmung maximal zwei Grad Celsius betragen. Europäische Forscher haben berechnet, dass die weltweiten CO2-Emissionen in jedem Jahrzehnt bis 2050 halbiert werden müssen. Von 2020 bis 2030 ist also eine Reduktion von 40 auf 20 Gigatonnen nötig.

Auch bei Produktions- und Logistikimmobilien ist eine Optimierung der Energiebilanz unbedingt notwendig. Während der Bezug von ausschließlich „grünem“ Strom bereits zum jetzigen Zeitpunkt relativ einfach möglich ist, müssen die Logistikimmobilien der Zukunft selbst Energie produzieren. Inzwischen werden erste Objekte großflächig mit Photovoltaik-Paneelen (PV) verbaut. Die entsprechenden Anlagen werden immer effizienter und die Stromgestehungskosten fallen inzwischen niedriger aus als bei der Energiegewinnung auf Basis fossiler Brennstoffe. Zukünftig sind weitere Varianten der Energieerzeugung auf dem jeweiligen Grundstück denkbar. Dazu können Windkraftanlagen genauso wie ein Blockheizkraftwerk in Verbindung mit einer Wärmepumpe gehören. Ziel ist es, dass die Immobilie mehr Energie produziert, als sie verbraucht – und dadurch einen Zustand der CO2-Neutralität auf Objektebene erreicht. Ein entsprechender ökologischer Fußabdruck ist auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll. Schließlich senkt er unter anderem die Betriebsnebenkosten der Nutzer und steigert dadurch die Attraktivität der Immobilie.

Mein Fazit: Die globalen wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Umbrüche der kommenden Jahre müssen auch von der Logistikbranche abgebildet werden können. Ein essenzieller Faktor dafür besteht in der Konfiguration der Immobilien. Projektentwickler müssen bereits jetzt darauf achten, ihre Objekte auch bei zunehmend komplexeren Anforderungen flexibel zu gestalten. Das erhöht zwar die Investitionskosten für die jeweilige Immobilie, ermöglicht aber die Herausbildung wichtiger Alleinstellungsmerkmale und eine konstante Nachfragesituation. Wer zudem den Wünschen der Nutzer exakt nachkommen kann, hat gute Chancen auf einen attraktiveren Mietzins – weshalb sich die Ausgaben während der Entwicklungsphase langfristig durchaus rechnen können.