04.05.2018
Albert Dürr

Vom Change-Prozess nach Plan bis hin zu Lean Construction und modularem Bauen

Digitalisierung der Bauwirtschaft: BIM ist nicht alles

Das Beispiel Wolff & Müller zeigt, wie umfassend digitale Abläufe ein Bauunternehmen verändern. Die konsequente Anwendung von Building Information Modeling (BIM) ist nur einer von mehreren Aspekten.

Die digitale Transformation in der Bau- und Immobilienwirtschaft wird oft mit BIM gleichgesetzt, und BIM wird oft als reines IT-Thema verstanden. Doch der Plan: „Wir werden digital, indem wir BIM-Software einführen‘“ geht nicht auf. Denn außer Software müssen Bauunternehmen noch drei weitere Säulen aufbauen: Prozesse, Richtlinien und Menschen.

 

Change-Prozess nach Plan

Prozesse müssen zunächst analog erfasst und analysiert werden, bevor sie in die digitale Welt übertragen werden. Richtlinien schaffen einheitliche Rahmenbedingungen für alle Projektbeteiligten. Zum Beispiel nutzen wir bei Wolff & Müller sogenannte Pflichtenhefte, um bei BIM-Projekten die Modellierungsstandards zu definieren. Noch fehlen solche Richtlinien auf übergeordneter nationaler Ebene. Der wichtigste Baustein aus unserer Sicht sind jedoch die Menschen – sie gilt es auf den neuen Weg mitzunehmen.

 

Fünfstufige Digitalisierungsstrategie

Wolff & Müller will diese Säulen systematisch aufbauen – und zwar nicht nur für BIM, sondern auch für weitere digitale Werkzeuge und Methoden. Unser Ziel: Wir wollen bis zum Jahr 2020 unsere Prozesse dort, wo es sinnvoll ist, digitalisieren. Wie wir das tun, haben wir in einer fünfstufigen Digitalisierungsstrategie festgehalten. Wir haben unseren Mitarbeitern die Strategie bei einer bundesweiten Roadshow vermittelt und informieren sie regelmäßig über den aktuellen Stand der Umsetzung.

 

BIM ist das Herzstück

BIM steht im Mittelpunkt der Digitalisierungsstrategie. Das Prinzip: Bauwerke werden zunächst als durchgängiges, virtuelles Gebäudedatenmodell in mehreren Dimensionen (3D-Geometrie, Materialien, Zeit, Kosten u.a.) erstellt, bevor wir sie real bauen. Wir arbeiten seit 2009 mit BIM und nutzen die Methodik seither in immer größerem Umfang – zuerst nur in der Angebotsphase von Bauprojekten, seit 2014 auch in der Ausführungsphase. Bis 2020 wollen wir BIM auf den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken ausweiten, von der Planung über die Bauausführung und den Betrieb bis zum späteren Rückbau. Das bedeutet beispielsweise, dass wir dem Bauherrn nach Projektabschluss einen „digitalen Zwilling“ seines Bauwerks überreichen wollen. Dieses virtuelle Abbild ist hilfreich, um etwa die Betriebskosten zu berechnen oder Umbauten zu planen. Und wir werden alle, die am Bauprojekt beteiligt sind, in die BIM-Methodik einbinden, von Planern bis zu Nachunternehmern und Lieferanten.

 

Von Kameradrohnen bis zur Straßenbau-App

Parallel zu BIM führen wir weitere digitale Werkzeuge ein, um effizienter zu arbeiten und die Bauqualität zu verbessern. Zum Beispiel erfassen wir das Baugelände per Laserscanning oder mit Kameradrohnen. Sowohl im Tief- und Straßenbau als auch im Hochbau nutzen wir immer mehr Funktionen des mobilen Planungs- und Echtzeitsystem BPO, um die Bauarbeiten vor Ort zu steuern und zu dokumentieren. Die Verknüpfung des BIM-Modells mit der Baulogistik und der Einsatz der RFID-Technologie bringen weitere Vorteile. Zum Beispiel kann das Baumaterial just in time auf die Baustelle geliefert werden, um Lagerbestände und damit verbundene Kosten zu reduzieren.

 

Lean Construction und modulares Bauen

 Zwei Arbeits- und Denkweisen, die für uns eng mit der Digitalisierung zusammenhängen, sind Lean Construction und modulares Bauen. Lean Construction ist die Übertragung des aus der Automobilindustrie stammenden Lean-Prinzips auf das Bauwesen mit dem Ziel, effizienter zu bauen. Wir testen derzeit unterschiedliche Lean-Instrumente auf der Baustelle anhand von mehreren Pilotprojekten im Hochbau. Außerdem versuchen wir, möglichst viele Komponenten von Gebäuden zu standardisieren und vorzufertigen. Im Idealfall können Bauwerke so modulartig und damit viel kostengünstiger aufgebaut werden. Vor allem im Hotelbau sehen wir viel Potenzial für dieses Baukastenprinzip.

 

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