06.04.2018
Phillip Huperz

2. Jahreskongress Temporäres Wohnen

Digitaler Vertragsschluss bei temporärem Wohnen

Was als Bereitstellung von Studentenwohnungen begann, ist mittlerweile ein allgegenwärtiges Konzept: Temporäres Wohnen ist gefragter und aktueller denn je.

Denn gesellschaftliche Strukturen werden stetig komplexer und schnelllebiger; erhöhte Mobilität, eine steigende Anzahl von Familien mit mehreren Wohnsitzen, befristete Arbeitsverhältnisse, berufsbedingte Ortswechsel und ohnehin begrenzte Ressourcen in Ballungszentren tun ihr Übriges. Die Folge ist ein erhöhter Bedarf an kurzfristigem Wohnraum, der den Kunden Vorteile wie Flexibilität, ein gleichzeitiges „Wohlfühlgefühl“ sowie einen überdurchschnittlichen Komfort bietet, was durch das Angebot zahlreicher Service-Leistungen sichergestellt wird.

Um eine größtmögliche Benutzerfreundlichkeit und Effizienz zu erreichen, können die Vertragsanbahnung wie auch der -abschluss weitestgehend digital abgewickelt werden. Die praktische Umsetzung sowie die sich ergebenen rechtlichen Fragestellungen sollen im folgenden Beitrag dargestellt werden.

Rechtliche Fragestellungen

I. Beweissicherung und Formerfordernisse

Die gute Nachricht vorab: Kurzfristige Mietverträge können rein digital geschlossen werden. Grundsätzlich bedarf der Abschluss von Mietverträgen keiner bestimmten Form. Ein Vertragsschluss kann somit schriftlich, mündlich, durch schlüssiges Verhalten, über das Internet oder auf anderem fernkommunikativen Wege erfolgen.

Etwas anderes gilt gemäß § 550 BGB allerdings dann, wenn der Vertrag für eine Festlaufzeit von mehr als einem Jahr geschlossen werden soll. In diesem Fall muss der Vertrag von beiden Seiten handschriftlich unterzeichnet werden. Bei einem Verstoß ist der Vertrag nicht unwirksam. Die vereinbarte Laufzeit ist jedoch nicht bindend. Der Vertrag kann daher von beiden Seiten kurzfristig gekündigt werden. Für den Vermieter geht dadurch cashflow-Sicherheit verloren.

Im Bereich des temporären Wohnens ergibt sich daraus, dass die Vermietung von Zimmern in Boardinghäusern weitgehend digital erfolgen kann. Denn die Festlaufzeiten in Boardinghäusern überschreiten nur selten einen Zeitraum von wenigen Monaten. Bei der Vermietung von Zimmern in Studentenwohnheimen greift das Schriftformerfordernis jedoch häufig. Und zwar immer dann, wenn die Vermietung den Zeitraum von zwei Semestern überschreitet.

Ungeachtet dessen gilt: Ein Vertragsschluss muss dokumentiert werden. Dies dient dem Nachweis gegenüber den Mietern, Investoren und Behörden. Auch wenn ein Vertragsschluss vollständig digital erfolgt, sollte daher ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, Prozesse zu definieren, die eine dauerhafte Dokumentation sicherstellt.

II. Digitaler Vertragsschluss - Widerrufsrecht

Eine rein digitale Abwicklung, bei der sich auch der anschließende Vertragsabschluss ausschließlich online abspielt, bietet eine höchstmögliche Flexibilität und ermöglicht auch relativ kurzfristige Vertragsabschlüsse. Gleichzeitig birgt sie aber auch einen Nachteil, und zwar eine Unsicherheit hinsichtlich der Bindungswirkung des Vertrags.

Denn im absoluten Regelfall wird sich der Vertragsabschluss im Anwendungsbereich der Widerrufsrechte nach §§ 312 ff. BGB befinden. Oftmals handelt es sich bei dem Vermieter um einen Unternehmer i.S.d. § 14 BGB, gleichzeitig sind potentielle Mieter regelmäßig natürliche Personen, die zu überwiegend nicht gewerblichen Zwecken oder solchen, die nicht ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden können, den Mietvertrag abschließen und damit unter den Verbraucherbegriff des § 13 Abs. BGB fallen.

In Betracht kommen insofern zwei verschiedene Widerrufsrechte. Zum einen das gem. § 312g Abs. 1 i.V.m. § 312c BGB, welches einschlägig ist bei Fernabsatzverträgen, also solchen, bei denen für Vertragsverhandlungen und Vertragsabschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden, wie es das Online-Portal wäre. Zum anderen das des § 312g Abs. 1 i.V.m. § 312b BGB, welches anwendbar ist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen.

Besteht ein Widerrufsrecht, kann der Mieter den Vertrag einseitig binnen 14 Tagen nach Vertragsschluss und ordnungsgemäßer Widerrufsabelehrung widerrufen. Dies führt nicht nur dazu, dass beide Parteien nicht mehr gebunden sind. Auch sind die ausgetauschten Leistungen und damit auch die Miete zurück zu gewähren. Zwar muss der Mieter wohl nach § 357 Abs. 8 BGB Wertersatz für den erlangten wirtschaftlichen Vorteil der Nutzung zahlen. Der kann jedoch unterhalb der vertraglich festgesetzten Miete liegen, falls diese marktunüblich hoch ist. Außerdem besteht der Anspruch nur dann, wenn der Mieter ausdrücklich verlangt hat, dass die Leistung schon vor Ablauf der Widerspruchsfrist beginnt („opt-in“). Eine solche opt-in Funktion sollte daher bei allen digitalen Vertragsschlüssen standardmäßig eingebaut werden, beispielsweise als „tick-the-box“ auf der Vermietungs-Homepage.

Allerdings existieren auch Ausnahmevorschriften, die gegebenenfalls zur Vermeidung des Erfordernisses einer Widerrufsbelehrung genutzt werden können. Insbesondere § 312 Abs. 4 S. 2 BGB. Danach entfällt ein Widerrufsrecht, wenn der Mieter das Objekt vor Vertragsschluss besichtigt hat und der allgemeine Schutzgedanke der Widerrufsregelungen daher nicht zum Tragen kommt. Eine rein virtuelle Besichtigung im Wege eines 360°-Rundgangs ist dabei nicht ausreichend. Stattdessen muss der Mietgegenstand vor Ort vor Vertragsunterzeichnung begutachtet und dies dokumentiert werden. Dies ist aus logistischer Sicht jedoch gerade im Marktbereich des temporären Wohnens schwierig umzusetzen, da die Zielgruppe der Mieter zu einem großen Anteil nicht ortsansässig ist und erst zum geplanten Mietbeginn anreist.

Fazit

Eine digitale Vertragsanbahnung ist durchaus möglich und vor dem Hintergrund größtmöglicher Flexibilität auch empfehlenswert. Die Umsetzung muss sorgfältig strukturiert werden, damit der Komfortgewinn nicht mit unnötigen rechtlichen Nachteilen „erkauft“ wird.

Der Autor
Dr. Phillip Huperz
GSK Stockmann