Dominicus von Nerée ist seit vielen Jahren für die eigene aber auch für fremde Familien und Family Offices tätig. Neben Unternehmensbeteiligungen, Land- und Forstwirtschaft beschäftigt sich Herr von Nerée intensiv mit schon bestehenden und noch neu aufzubauenden nationalen und internationalen Immobilienportfolios. In der Hamburger Paribus-Gruppe ist er als Direktor für den Bereich Unternehmensentwicklung/Wealth Management verantwortlich.
Der nachhaltige Erhalt von gewachsenen Vermögenswerten, wie z.B. das Immobilienvermögen von Familienstiftungen, steht für ihn als Diplom-Volkswirt sowohl unter gesellschaftspolitischen als auch unter ökonomischen Aspekten im Mittelpunkt seiner Interessen.
Welchen Stellenwert haben Immobilien für Ihre Familie sowie die von Ihnen betreuten Familien und Family Offices und wie beurteilen Sie die aktuellen Perspektiven privater Investoren am Immobilienmarkt?
Herr von Nerée: Der Immobilienerwerb, der Immobilienbesitz sowie die effektive Verwaltung und Optimierung eines bestehenden Immobilienportfolios haben bei alten und mittelalten Vermögen einen sehr hohen Stellenwert. Einerseits ermöglichen gute Immobilien an attraktiven Standorten einen gut planbaren und stetigen Geldzufluss und andererseits auch die Möglichkeit eines weitgehenden und langfristigen Kapitalerhalts.
Die Gestaltungsmöglichkeiten, mit Immobilien das Familienvermögen zu erhalten, langfristig zu strukturieren und auch auf die nächsten Generationen zu übertragen, sind sehr attraktiv.
Gute Immobilienprojekte erfordern allerdings eine gewisse Weitsicht sowie auch persönliches und familiäres Commitment zum Eigentum. Andererseits sind solche Projekte aber auch weniger anfällig für kurzfristige Marktschwankungen und exogene Schocks.
Familien, die ihr Vermögen über Generationen aufgebaut und entwickelt haben, nutzen – aus meiner Erfahrung heraus - Immobilien als Stabilisatoren ihres Vermögens mit mindestens 33 % ihrer Gesamt-Assetallokation.
Interessant zu beobachten ist, dass gerade junge Unternehmerfamilien und -vermögen, wie z.B. Start-up-Gründer, die gerade einen dreistelligen Exit aus einem sehr dynamischen Unternehmen/Marktumfeld erzielen konnten, mit aller Kraft versuchen, eine solche Stabilität und vermeintliche Sicherheit für ihr persönliches Portfolio zu erreichen und sich dabei – völlig anders als vorher - stark an den alten gewachsenen und eher weniger dynamischen Vermögen und Anlagekonzepten orientieren.
Private Investoren leiden heute darunter, dass zurzeit viel zu viel freies Kapital (unqualifiziertes aber auch qualifiziertes) auf dem Markt ist. Einerseits haben Unternehmer, Unternehmen und Familien in den letzten Jahren der wirtschaftlichen Hochkonjunktur (zumindest in Deutschland) die Eigenkapitalposition ihrer Vermögen oder Unternehmen auf fast 100 % erhöhen können und wissen – bei fast 0 % Anlage-Zinsen – nicht mehr, wo und wie sie heutige und zukünftige Erträge noch sinnvoll anlegen sollen. Andererseits sind die Konditionen für mittel- bis langfristige Kredite (Fremdkapital) auf Basis des heutigen Zinsniveaus augenscheinlich sehr günstig und überall zu haben.
Erschwerend kommt hinzu, dass viele internationale Investoren (z. B. Engländer nach dem Brexit) Deutschland als wichtigen Investitionsschwerpunkt für sich entdeckt haben und verstärkt und mit strategisch (überteuerten) Preisen dringend ihre Investitionsquote erfüllen müssen.
Die Anlagemisere der institutionellen Anleger (Pensionskassen, Versicherungen, etc.) in anderen Assetklassen kommt als weiterer preissteigernder Faktor hinzu und führt dort zur Erhöhung der Immobilienquoten und beeinflusst somit die aktuelle Situation ebenfalls nicht positiv.
Das Angebot an Immobilien durch den Verkauf bestehender Assets zu teilweise astronomischen Preisen aber auch die relativ gute Situation für neue Projektentwicklungen (EK 5-10, Mezz 10-25, FK bis zu 75-85) führt zwar zu einem nachwachsenden Angebot. Ob dieses Angebot (z. B. alte Gebäude zum 25-30-fachen, oder Projektentwicklungen an „Nicht-Orten“) langfristig den notwendigen Qualitätsanforderungen entspricht, denen eine Immobilie standhalten muss, wage ich etwas zu bezweifeln.
Der Newcomer als privater Investor ist aus meiner Perspektive in der derzeitigen Marktsituation völlig überfordert. Einerseits will und muss er sein Geld in rentierliche Sicherheit bringen, andererseits kauft er sich durch die überhöhten Preise, den starken Wettbewerbsdruck und teilweise auch vor den rational nicht nachvollziehbaren Projektentwicklungen heute schon erhebliche Risiken und Probleme von morgen ein. Bei einer leichten Veränderung der Rahmenbedingungen können solche Investments schon sehr bald aus der Balance geraten.
Und so ist die Qualität des Deal Flows bzw. auch die Vielzahl der Angebote und gleichzeitig eine gute Due Diligence aufgrund der beschränkten Management-Kapazitäten eines Newcomers und des hohen Zeitdrucks schwierig.
Darüber hinaus hat sich der Verkaufsprozess für eine Immobilie enorm verändert. So müssen heute circa zwölf potenzielle Käufer ein quasi blindes Angebot abgeben. Anschließend werden fünf bis sechs Interessenten ausgewählt, die einen tieferen Einblick in die Unterlagen erhalten. Mängel, die dort erkannt werden, gelten dann als dem Käufer bekannt und es kommt zur nächsten Bieterrunde auf einem noch höheren Preisniveau. Realistische und faire Kaufpreisverhandlungen, auf denen sich Käufer und Verkäufer begegnen und sich über die Mängel sowie die Gewährleistungen und das Reasonable Pricing gut einigen, sind sehr selten geworden.
Mein Fazit: Wenn ich nicht über ausreichend eigene Ressourcen verfüge oder über eine völlig andersartige, einzigartige Strategie verfügen kann, würde ich mich als Newcomer in diesen schwierigen Zeiten eher an einen größeren und professionellen Partner wenden. Mein Vorteil dabei: Ich erhalte insgesamt bessere Lösungen und die jährliche Managementfee oder eine einmalig zu entrichtende Performancefee wären dafür meines Erachtens gut investiertes Geld.
Gibt es ein spezifisches Anlageverhalten von vermögenden Familien? Was sind die strategischen Maximen, die den Anlageentscheidungen zu Grunde liegen? (bspw. Gemeinwohl, Nachhaltigkeit, Werterhalt etc.)
Herr von Nerée: Gute, nachhaltig orientierte und investierende Familien, die bereits im Besitz von Immobilien sind, haben meistens individuelle Kernkompetenzen entwickelt. Diese Kernkompetenzen können zum Beispiel regionale oder auch inhaltliche Schwerpunkte beinhalten. Rund um die jeweiligen Kernkompetenzen wird dann das jeweilige Portfolio sukzessive weiterentwickelt.
Familien, die z.B. in Heidelberg den Immobilienmarkt aus dem „Effeff“ kennen, hoch liquide und sehr verschwiegen sind, haben auf diese Art und Weise ständig Zugang zu guten Immobilien, die – aus den unterschiedlichsten Motiven des Verkäufers heraus - nicht öffentlich über den Markt getragen werden sollen.
Inhaltlich habe ich Strategien gesehen, die sich z.B. auf Zinshäuser in Großstädten in 1B-Lagen mit Investitionsstau konzentriert haben. Aber erst eine gewisse Mindestzahl von Immobilien aus diesem Bereich, aus unterschiedlichen Vintage-Jahrgängen und an unterschiedlichen Standorten erzeugt dann auch die notwendigen Economies of Scale und eine gewisse Risiko-Diversifikation.
Darüber hinaus sind auch gesellschaftliche Aspekte, wie z.B. Investitionen in sozialen Wohnungsbau in Hamburg mit langjähriger Quasi-Mietpreisbindung für einige große und etablierte Familien dieser Stadt selbstverständlich.
Ob diese Familien sich hier nur unter Renditegesichtspunkten engagieren, halte ich für fraglich. Wenn diese Familien hier etwas Soziales für die Gemeinschaft tun, machen Sie aber auch keine große Werbung für sich damit. Die Stadt und die Mieter sind zumindest dankbar für solche sozialen Engagements.
Wenn gekauft oder neu gebaut wird, sind Themen wie Standort/Lage, Qualität der Bauaus-führung und des Konzeptes sowie ökologische und energieeffiziente Bewirtschaftung ganz wesentliche Punkte, die für vermögende Familien eine Rolle spielen. Auch die Bedrohungslage durch Wasser ist zunehmend ein Thema und sollte nicht unterschätzt werden.
Bei einigen, sehr traditionell aufgestellten Familien, erhält der Family Officer mit Ankunft eines jeden/weiteren Kindes den Auftrag bis zum 18. Lebensjahr ein tragfähiges Immobilienportfolio für das jeweilige Kind aufzubauen, damit es im Alter von 18 Jahren dann guten Gewissens auf den Pflichtteil des Hauptvermögens verzichten kann bzw. auch verzichtet.
Hier wird das Immobilienvermögen ganz gezielt zur generationsübergreifenden Steuerung und den Erhalt des Gesamtvermögens eingesetzt – dies auch mit dem Wunsch und der Zielsetzung einen quasi sozialen und gerechten Ausgleich für die weichenden Erben zu schaffen. Aus meiner Perspektive eine vorbildliche Art und Weise, verantwortungsbewusst mit Vermögenswerten umzugehen.
Wie wichtig ist der Austausch unter Familien?
Herr von Nerée: Das hängt zunächst einmal sehr von der regionalen Struktur ab, in denen die einzelnen Familien ihre Schwerpunktaktivitäten in der Immobilien-Allokation haben. In „engen Regionen“ stehen diese Familien in einer extremen Wettbewerbssituation um gute Immobilien, sodass quasi überhaupt kein Austausch miteinander stattfindet. Hier gilt das Motto „Schweigen ist Gold“ und der Nachbar soll bloß nicht erfahren, was ich alles habe oder auch, was ich plane.
Auch in größeren Räumen, wie z. B. in Hamburg, sind sehr vermögende Familien eher nicht an einem aktiven Austausch über ihre jeweiligen Immobilienprojekte interessiert. Hier ist der Wettbewerb stark und ein Investor, der dringend Geld anlegen muss – dann auch mit absolut unvernünftigen Preisen –überbietet letztendlich die anderen, vernünftig agierenden, Familien. So endet der ganze Aufwand zum sinnvollen und verantwortungsbewussten Erwerb der Immobilie letztendlich in „Sunk Costs“.
Bei regionsübergreifenden Projekten wie z. B. bei Investments von Hamburgern in München oder Vice Versa sucht man hin und wieder schon den „kleinen Dienstweg“ auf, um mit befreundeten Immobilienfamilien oder Family Offices ein besseres Bild von der Lage zu erhalten. Im Extremfall kann es auch zu gegenseitigen Joint-Ventures bei größeren Projekten kommen, bei denen dann der lokale Partner den Hut der Verantwortung dafür aufhat.
Bei internationalen Investments, wie z. B. in den USA, spricht man schon intensiver miteinander und versucht, auch gemeinsame Vehikel auf die Beine zu stellen, um diese Investments dann möglichst gut zu bewältigen.
Ein erheblicher – nicht immer positiver – Informationsaustausch findet auch auf der Ebene der Makler, Provider und teilweise auch auf der Ebene der finanzierenden Banken statt, die dies als einen Teil ihres Geschäftserfolges verstehen. Darüber sollte man intensiv nachdenken und dies auch bei der Informationsweitergabe an fremde Dritte unbedingt berücksichtigen.
Konferenzen in denen ein oder zwei erfahrene Immobilieninvestoren ihre jeweiligen Investitions-strategien ehrlich und mit Erfolgen und Misserfolgen darstellen, sind in diesem Zusammenhang wichtig. Die daran anschließenden offenen Diskussionen und Fachgespräche unter den erfahrenen Investoren führen zu einem guten Gesamtbild, wichtigen Informationen und gegebenenfalls auch zu Allianzen bei zukünftigen Immobilienprojekten.
Grundsätzlich gilt, wenn ich in einem fernen und neuen Investitionsumfeld, wie z. B. in den USA als Newcomer investieren möchte, benötige ich einen erfahrenen und verlässlichen Partner vor Ort, oder eben auch einen bezahlten Managing Partner (GP), der mir eine Struktur, wichtige Informationen, sein Wissen und gegebenenfalls auch seine Management-Dienstleistung zur Verfügung stellt, damit ich dort nicht scheitere.
Und dafür muss ich dann auch bereit sein, eine angemessene Managementfee zu zahlen, quasi als „Versicherungsprämie“ für mein Investment.
Welchen Mehrwert bietet der Jahreskongress „Zukunft privater Liegenschaften – Unternehmerfamilien im Dialog“ Ihrer Meinung nach für Familien?
Herr von Nerée: Der informelle Austausch, auf Basis guter Initialvorträge und einer daran anschließenden intensiven Podiumsdiskussion zwischen überregional denkenden und handelnden Immobilieninvestoren ist extrem hilfreich.
Ein solcher, multilateraler Gedankenaustausch findet in der Regel nicht am Telefon statt, sondern ist in einer Gruppendiskussion und in einem Forum von gleichgesinnten Investoren deutlich besser als im bilateralen Gespräch.
Die individuelle Vertiefung einzelner Themen mit den Referenten oder Gesprächsteilnehmern direkt vor Ort auf der Konferenz ist letztendlich jedem selbst überlassen. Diese Vertiefung und das Aufeinanderzugehen ist aus meiner Perspektive eine wesentliche Voraussetzung für die Teilnahme an einer Heuer-Dialog-Veranstaltung.
Aus der Kombination mit größeren Lösungsanbietern und Managern, die z. B. bereits Investments in Asien erfolgreich durchgeführt haben, ergeben sich neue Horizonte, Denkanstöße und gegebenenfalls auch Lösungswege für die Zukunft unserer Tätigkeiten.
Vor diesem Hintergrund und auch auf Basis der herausragenden Referentenliste bin ich fest davon überzeugt, dass die kommende Veranstaltung für alle Teilnehmer eine gute Möglichkeit eröffnet, die Herausforderungen für heute und morgen im Immobiliengeschäft besser bewältigen zu können. Ich freue mich auf den intensiven Gedankenaustausch mit den Teilnehmern der Konferenz.
Hamburg, 14.11.2017, Dominicus v. Nerée