10.11.2017
Thorsten Hühn

Wohn-Dialog Berlin 2018

Der neue Berliner Mietspiegel – Balanceakt zwischen Markt und Regulierung

In Politik und Öffentlichkeit wird heiß diskutiert, wieviel „Markt“ ein Mietspiegel abbilden darf und wieviel gesetzliche Regulierung in ihm steckt. Wie ist vor diesem Hintergrund der neue Berliner Mietspiegel zu beurteilen?

Jeder Mietspiegel steht im Spannungsverhältnis zwischen den normativen Einschränkungen des Bundesgesetzes und den mehr oder weniger plausiblen Alltagserwartungen der wohnungswirtschaftlichen Akteure. Das gilt insbesondere auch für den seit Jahren boomenden Wohnungsmarkt der Bundeshauptstadt.

Der Mietspiegel ist ein gesetzlich normiertes Instrument zur Feststellung der „ortsüblichen Vergleichsmiete“.. Er dient als Messlatte für Mieterhöhungen durch Vermieter und damit dem Rechtsfrieden zwischen Mietern und Vermietern. Entscheidende Grundlage zur Erstellung von Mietspiegeln ist § 558 Abs. 2 BGB. „Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind.“

Die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels muss auf der Grundlage anerkannter wissenschaftlicher Grundsätze alle zwei Jahre erfolgen, wobei der Gesetzgeber diese Grundsätze nicht eindeutig formuliert hat. Die „Vierjahresregelung“ ist seit den 1970er Jahren mehrfach geändert worden als Ausdruck des wohnungspolitischen Gestaltungswillens der jeweiligen Bundesregierungen. Trotz aller „Unkenrufe“ von interessierter Seite, die den 1974 eingeführten Mietspiegel durch andere Instrumente wie z. B. eine flächendeckende verpflichtende Mietdatenbank ersetzen wollen, ist und bleibt der Mietspiegel DAS Instrument zur Begründung von Mieterhöhungen bei Bestandswohnungen.

Jeder Investor in diesem Segment kann sich mit Hilfe der Mietspiegelwerte leicht die Mieterhöhungspotenziale ausrechnen, die aktuell oder nach erfolgter Modernisierung am konkreten Standort rechtlich möglich sind. Wirtschaftlichkeits- und Renditeberechnungen ganzer Portfolios mit Bestandswohnungen sind IT-gestützt überhaupt nur mit den Daten eines Mietspiegels möglich. Außerdem sind die örtlichen Mietspiegel rechtliche Bezugsgröße für andere Instrumente wie z. B. die Mietpreisbremse.

Was bedeutet das für den neuen Berliner Mietspiegel, der im Frühjahr 2017 in Kraft getreten ist? Die in Absatz 2 des § 558 geforderten Kriterien werden im Berliner Mietspiegel 2017 selbstverständlich abgebildet. Die Datenerhebung zum Berliner Mietspiegel erfolgte von F+B auf Basis des anerkannten statistischen Verfahrens der „disproportionalen Stichprobenziehung“. Innerhalb jeder Schicht aus Baualter und Wohnlage erfolgte eine Zufallsstichprobe, so dass die Eigentümer- und Wohnungsstruktur repräsentativ abgebildet wurde.

Das statistische Verfahren der Ausreisserbereinigung wurde von F+B für den Berliner Mietspiegel 2017 weiterentwickelt. Auf die Hinweise einiger Gutachter zur Ausweisung der Sondermerkmale wurde entsprechend reagiert. Im 2017er Mietspiegel werden diese nicht mehr separat ausgewiesen, sondern grundsätzlich in der Orientierungshilfe zur Einordnung der einzelnen Spannen berücksichtigt.

Aufgrund der geänderten Wohnungsmarktsituation in Berlin wurde der Spannenraum im Berliner Mietspiegel 2017 ausgeweitet. Ein statistisches Verfahren zur Festlegung des Spannenraums, also der Spanne zwischen niedrigster und höchster Miete innerhalb ein- und derselben Wohnungskategorie, gibt es nicht. Es ist deshalb immer eine Festsetzung, die nach Einschätzung des lokalen Wohnungsmarktes durch die Mietspiegelersteller, also der AG Mietspiegel, vorgenommen wird. Sicherlich gibt es einige Interessenvertreter, die sich in Berlin gern eine größere Spanne gewünscht hätten, jedoch werden mit der Ausweisung der 3/4-Spanne im Berliner Mietspiegel bereits deutlich mehr Mietwerte innerhalb einer Kategorie abgedeckt als in anderen Großstädten.

Fazit: Der Mietspiegel ist Teil des deutschen Mietrechts und hat sich seit mehr als 40 Jahren bewährt. Er soll bewusst nicht das aktuelle Marktmietenniveau abbilden, sondern stellt einen Kompromiss dar zwischen den berechtigten Ansprüchen der Wohnungseigentümer auf eine angemessene Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals und dem sozialpolitischen Gebot, den Mietpreisanstieg in den Beständen abzufedern.

Der Autor
Thorsten Hühn
Prokurist in der Geschäftsleitung
F + B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH