08.09.2017
Sascha Genders

Selbstständigkeit ist nicht mehr selbstverständlich

Dank Existenzgründungen Leerständen entgegnen

Die Anzahl an Existenzgründungen ist seit Jahren bundesweit rückläufig. Die Gründe sind klar: Die Konjunktur und der Arbeitsmarkt brummen. Unternehmen suchen händeringend Fachkräfte und schöpfen Potenziale ab.

Der demografische Wandel spielt eine Rolle, ebenso wie Schwächen hierzulande bei der Vermittlung einer Begeisterung für Unternehmertum in den Schulen oder die meist unbegründete Angst vor dem Scheitern.

Fatal ist der Mangel an Gründungen insbesondere, weil zunehmend mehr Betriebsinhaber altersbedingt vor der Frage stehen, woher der passende Nachfolger kommen soll. Eine Studie des Zentrums für Regionalforschung der Universität Würzburg aus dem Jahr 2016 zeigt zum Beispiel, dass in ausgewählten Mittelzentren Mainfrankens knapp ein Viertel der befragten Einzelhändler eine Betriebsaufgabe in den nächsten fünf Jahren plant[1]. Der am häufigsten genannte Grund hierfür ist der bevorstehende Ruhestand. Viele der potenziellen Übergeber sind zwar durchaus gewillt, ihren Betrieb zu übergeben, jeder vierte Übergabewillige in Mainfranken findet laut IHK-Nachfolgereport jedoch schlichtweg nicht den passenden Nachfolger[2].

Insgesamt zeichnet sich eine Entwicklung ab, die vor allem für die oftmals familiengeführten Geschäfte in vielen Ortskernen fernab der Ballungsräume bedenklich ist. Faktisch drohen Leerstände. Für das lebenswerte Ambiente und die Lebenskultur der Ortskerne müssen Lösungen gefunden werden.

Gründer brauchen Kontakte, Kapital, Know-how … und einen Standort

Die drei zentralen Erfolgsparameter für Neuunternehmer sind Wissen, Kontakte und Kapital. Kaum beachtet in der Gründungsphase, aber ebenso maßgeblicher Garant ist die Wahl des richtigen Standortes, der nicht nur über Sichtbarkeit oder Kundenfrequenz entscheidet, sondern nicht zuletzt über das Image des neuen Unternehmens und seine Zukunftsperspektive. Mit der immer tieferen Durchdringung der Digitalisierung – so könnte man meinen – werde der Standort entbehrlicher für den unternehmerischen Erfolg. Kunden werden immer häufiger online gefunden, Werbung ist über Social Media leichter und zielgenauer platzierbar als über das Schaufenster oder Reklametafeln, Logistikprozesse sind vielfach so perfekt organisiert, dass die Ware schneller beim Kunden ist, als der Kunde bei der Ware sein könnte. Dennoch: Die Standortfrage ist alles andere als obsolet.

Von der Garage bis zum Gründerzentrum

Wer an das Silicon Valley denkt, dem fallen sofort die vielzitierten Hinterhofgaragen ein. Wer will kann heute neben Golden Gate Bridge oder Fisherman´s Wharf in San Francisco beispielsweise auch die kleine Garage besuchen, in der Dave Packard in den 1930er Jahren mit Bill Hewlett den Grundstein für den heutigen Technologiekonzern legte. Der Erfolg moderner Hightech-Giganten ist eng mit diesem Bild assoziiert. Und in der Tat gründen auch hierzulande viele Menschen – unabhängig der Branche – zunächst in „ihrer“ Garage, nämlich in den eigenen vier Wänden. Dies liegt nicht nur daran, dass heutzutage in Mainfranken mehr Gründungen im Nebenerwerb stattfinden als im Vollerwerb, sondern es erspart schlicht den Kapitaleinsatz für Miete, Einrichtungen oder tägliche Anfahrtswege.

Wer nicht zu Hause gründen mag oder kann, der macht sich auf die Suche nach geeigneten Gewerbemietobjekten oder entsprechenden Immobilien. Hilfen bietet hierbei im Bezirk der IHK Würzburg-Schweinfurt unter anderem das von den bayerischen IHKs betriebene Standortportal Bayern, bei dem nebst der Suche nach der passenden Gewerbefläche auch Informationen zu verkäuflichen oder anmietbaren Gewerbeobjekten, zu Fachkräfteverfügbarkeit, Gewerbesteuerhebesätze oder Verkehrsinfrastrukturanbindungen bereitgestellt werden.

Hauptproblem hierbei: Die Finanzierung der Kosten für den Standort, beispielsweise für die Miete. Zwar gibt es eine Reihe von Unterstützungen finanzieller Art für Gründungsvorhaben, doch zielen diese eher auf innovationshaltige und wissensintensive Bereiche, sodass diese klassischen Betriebsmittel oftmals direkt aus den erwirtschafteten Mittel zu stemmen sind. Hier setzen Gründerzentren an: In den letzten Jahrzehnten haben sich diese nicht zuletzt auch deswegen vielerorts etabliert, weil sie günstige Infrastruktur und Service-Dienstleistungen für die Mieter vor Ort bieten. Coworking-Spaces im klassischen Sinne, entfristen darüber hinaus schlicht die Beziehung eines Mieters in einem Gründerzentrum und stellen mit erhöhter Flexibilität Infrastrukturen (vom Schreibtisch bis zur Kaffeemaschine) bereit.

Aber: Neben der vorgehaltenen Infrastruktur ist mehr und mehr die Bedeutung der Vernetzungsmöglichkeiten von Start-ups innerhalb beziehungsweise zwischen den Zentren, aber auch mit Dritten, zum Beispiel aus der Hochschul- und Forschungslandschaft, für Gründer in den Fokus gerückt. Neuere Einrichtungen haben sinnvollerweise erkannt, dass die reine Bereitstellung von Fläche kein Erfolgsgarant mehr ist. Beton und Backstein schafft keine Ideen.

Win-Win mit Mikro-Existenzgründungsspots

Die Stärke heutiger (physischer) Standorte liegt in der Möglichkeit zur Vernetzung von Individuen. Viele Gründerzentren haben dies erkannt, viele Institutionen und Akteure fördern die Vernetzung, dies trotz und mit den diversen bestehenden und täglich neu hinzukommenden digitalen Kontaktplattformen. Der Austausch untereinander, mit Gleichgesinnten und Dritten – das ist heute für den Großteil der Existenzgründer ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Wahl des Standortes geht. Will man demnach die Gründerszene aktiv fördern, gilt es für Entscheider hier anzusetzen.

Der oben angesprochenen Gefahr zunehmender Leerstände in den Mittelzentren in Folge von Betriebsaufgaben kann zum Teil dadurch entgegen getreten werden, indem diese als potenzielle Kontakt-Spots für Existenzgründer genutzt werden. Diese haben zwar durchaus einen infrastrukturellen Ansatz, mit dem Jungunternehmer unterstützt werden, dienen aber ebenso als „Keimzelle“ für soziale Interaktionen zwischen Gründern. Solche „Mikro-Existenzgründungsspots“ sollten bewusster die Vernetzung in den Fokus rücken. Sie sollten mit Blick auf ihre Angebote noch stärker als bislang für die Nutzung der Räumlichkeiten damit werben, dass Gründern als Leistung ebenda Netzwerkzugänge erhalten. Das Dach über dem Kopf oder den Schreibtisch haben diese im Zweifel selbst, oder brauchen dies dank Digitalisierung und Home-Office immer seltener. Es gibt bereits einige Beispiele, auch in der Region Mainfranken, die diesen Ansatz verfolgen. Zu nennen sind beispielsweise die Starthubs in Würzburg oder ein geplantes Gründerkaufhaus in Schweinfurt. Mit Blick auf die Zukunft kann in diese Richtung nur zu einem noch stärkeren Engagement aller Beteiligten mit Nachdruck geraten werden.

Zwar gibt es weniger Existenzgründungen als früher und die Herausforderung für übergabewillige Betriebsinhaber den geeigneten Nachfolger zu finden, lässt sich hierdurch nicht immer lösen. Das Matching beider Seiten wird nicht beeinflusst. Aber: Wenn schon das Unternehmen keinen Nachfolger findet, so findet die Immobilie immerhin einen neuen Nutzer. Mikro-Existenzgründungsspots bergen ohne Zweifel die Möglichkeit, den Anreiz für Existenzgründungen zu erhöhen. Kommunen und Eigentümer profitieren durch die gesicherte Nutzung von Flächen und Gebäuden, Standorte und Immobilien bleiben vital und gemeinsam werden attraktive Rahmenbedingungen für die regionale Gründerszene gestaltet.


[1] Konfliktfelder des innerstädtischen Einzelhandels – Eine Untersuchung in den mainfränkischen Mittelzentren; Jürgen Rauh, Joscha Eberle, Maike Fließbach, Ramona Kröll, Fabian Link, Anton Heigl; in: Berichte des Zentrums für Regionalforschung, Schriftenreihe des Zentrums für Regionalforschung an der Universität Würzburg (ZfR), 2016, Verlag MetaGIS Fachbuch, Mannheim.

[2] Nachfolgereport Mainfranken 2015, Dr. Sascha Genders, IHK Würzburg-Schweinfurt, Würzburg, 05/2015, https://www.wuerzburg.ihk.de/fileadmin/user_upload/pdf/Existenzgruendung/Schriftenreihe/Nachfolgereport.pdf

Der Autor
Dr. Sascha Genders
Bereichsleiter Standortpolitik, Existenzgründung und Unternehmensförderung, Industrie und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt