17.08.2017
Stefan Schwenk

„Was will unsere Stadt für wen sein?“

Stadtmarketing als politische Handlungsmaxime

Will eine Stadt ein attraktiver Einkaufsstandort sein? Positioniert sie sich als Kultur- oder Sportstadt, als pulsierender Wirtschaftsstandort, als attraktive Wohnstadt, als ökologische Stadt und vieles andere mehr.

In Gesprächen mit Bürgermeisterkollegen wird das Thema „Stadtmarketing“ oft auf werbliche Aktivitäten im Internet, durch Druckerzeugnisse oder andere Produkte reduziert, die mehr oder minder nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten einer Kommune mit weniger oder mehr Aufwand produziert werden. Modernes Stadtmarketing beginnt aber viel früher und ist viel umfassender als es solche Produkte sind. Sie stehen oft erst am Ende von langen politischen Klärungsphasen und Entscheidungsprozessen, die natürlich auch durch entsprechende Kommunikation begleitet werden müssen. Die zentrale Frage im Stadtmarketing ist ganz einfach, aber dennoch hoch komplex: „Was will unsere Stadt für wen sein?“

Das klassische Marketing ist keine US-amerikanische Erfindung, so wie es viele Anglizismen im Marketing-„Denglisch“ vermuten lassen, sondern entwickelte sich in der heutigen Form bereits in den 20er Jahren in Berlin und Frankfurt, als erste Unternehmen nicht nur auf „Reklame“ setzten, sondern um eine umfassende Außendarstellung und öffentliche Inszenierung ihres Produktes und ihres Unternehmens bemüht waren. Diese Form des Marketings beschränkte sich eben nicht nur auf Reklame, auf Werbeanzeigen und Plakate, auf Litfaßsäulen oder Anzeigen in Zeitungen, sondern schuf ein Gesamtbild in der öffentlichen Wahrnehmung, das sowohl nach außen als auch nach innen Wirkung entfalten sollte. Geleitet wurde dies von der Erkenntnis, dass Marketing beim Produkt beginnt und aus den positiven Eigenschaften des Produkts kultiviert werden sollte. Das schafft Glaubwürdigkeit, Authentizität und Identifikation. In dieser Zeit wurden Marken kultiviert, die bis heute im Bewusstsein der Verbraucher tief verankert sind, und die auch Jenen, die an diesen Produkten mitwirken, eine positive Identifikation ermöglichen. Beispiele sind Marken wie Persil, Mercedes, Nivea und andere Markenprodukte, die seit Jahrzehnten mit Qualität und Produktgüte im breiten Bewusstsein identifiziert werden.

Dieser umfassende Ansatz des Marketings setzt voraus, dass ich das Produkt – in diesem Fall eine Stadt – mit ihren Stärken und Schwächen analysiere, dass ich Potentiale identifiziere und Handlungsfelder entwickele, die dem Gesamtprodukt Stadt oder Gemeinde angemessen sind und die als Entscheidungsmaxime für die kommunalen Beschlusskörperschaften dienen können. Und spätestens hier kommt wieder die örtliche Politik und vor allem der Bürger ins Spiel: „Was will unsere Stadt für wen sein?“

Will eine Stadt ein attraktiver Einkaufsstandort sein? Positioniert sie sich als Kultur- oder Sportstadt, als pulsierender Wirtschaftsstandort, als attraktive Wohnstadt, als ökologische Stadt und vieles andere mehr. Erst wer im breiten Dialog mit Bürgern und Politik darauf Antworten geben kann und Handlungsfelder extrahiert, kann daraus eine glaubwürdige Außendarstellung und Kommunikation entwickeln. Dabei sind nicht nur die eingangs zitierten Printprodukte oder Internetaktivitäten wichtig, die gesamte Außendarstellung, das gesamte Erscheinungsbild einer Stadt muss nach innen wie nach außen diesem Leitbild und seinen Zielen folgen. Dazu ist es wichtig, dass alle Akteure einer Stadt in der öffentlichen Wahrnehmung nach innen und außen nicht kontraproduktiv operieren, sondern nach einem hohen Maß an Übereinstimmung und Gleichklang suchen.

Die Botschaften sollten sich am besten auf jeweils drei oder vier Worte reduzieren lassen, um nachhaltig kommuniziert werden zu können. Das setzt intensive interne Kommunikation mit allen Entscheidungsträgern voraus, damit sich auch nach außen ein konsistentes Bild vermitteln lässt.

Marketing heißt deshalb nicht nur, ein Bild eines Produktes, eines Unternehmens oder auch einer Kommune stimmig nach außen zu tragen, sondern valide Prozesse zu entwickeln, in denen sich ein stimmiges Bild formt. In Hünfeld wurde ein Leitbild bereits vor über 10 Jahren nicht nur durch die politischen Gremien, sondern gemeinsam mit sachkundigen Bürgern, mit Entscheidern und Akteuren aus den unterschiedlichsten Bereichen, von Kultur über Wirtschaft und Sport bis hin zu sozialen Einrichtungen diskutiert und entwickelt, das nicht nur auf dem Papier fortgeschrieben, sondern dauerhaft gelebt wird, weil diese Entscheidungsträger und Akteure, beispielsweise in Kommissionen beraten und dauerhaft an politischen Entscheidungsprozessen mitwirken. Es ist zwar mitunter mühseliger und aufwendiger, aber schafft auch Transparenz und Identifikation mit Leitlinien aus dem Stadtmarketingprozess, an dem sich politische Entscheidungen messen lassen müssen. Daraus entwickelt sich ein stimmiges Gesamtbild, das wiederum im letzten Schritt auf vielfältige Weise durch Internetpräsenz, Druckerzeugnisse, Veranstaltungen und sonstige Instrumente der Außendarstellung kommuniziert werden kann. Kommunikation nach außen ist somit erst der letzte Baustein eines umfassenden Prozesses, den es anzustoßen und stets fortzuführen gilt. Erst dann kann eine Stadt erfolgreich als Marke positioniert werden.

Der Autor
Stefan Schwenk
Bürgermeister
Stadt Hünfeld