09.06.2017
Karan Djalaei

Waren die Hochhausfassaden vor 50 Jahren etwa konsequenter geplant?

Fassadentechnik auch bei Wohnhochhäusern

Es ist erfreulich, dass mittlerweile auch in Deutschland die Planung und der Bau von Wohn-Hochhäusern im Trend liegen.

Es zeichnet sich ab, dass bald in mittelgroßen oder sogar kleineren Städten diese Prestigebauten gebaut oder zumindest die bestehenden Hochhäuser revitalisiert werden. Insbesondere die Realisierung solcher Vorhaben muss generalplanstabsmäßig geplant und durchgeführt werden, so wie es bereits einmal vor ca. 50 Jahren in Deutschland und weltweit während des Hochhausbooms der Fall gewesen ist.

Die Hochhäuser, die damals aufgrund der herrschenden Wohnungsnot und Mangel an Büroflächen entstanden sind, mögen aus heutiger Sicht teilweise unattraktiv und monoton erscheinen. Bei einer intensiven Beschäftigung, z. B. im Rahmen einer Revitalisierung, ist es jedoch vor allem festzustellen, dass sie für die damaligen Verhältnisse im pre-digitalen Zeitalter nicht nur mit einem hohen Maß an Innovation umgesetzt wurden, sondern auch generalplanstabsmäßig geplant waren und sogar im Hinblick auf die Baukosten und Bauzeit sehr präzise kalkuliert wurden.

Diese optimalen Zustände sind heute bei manchen Projekten trotz der softwaretechnischen Möglichkeiten und datenorientierten Planung weder in der Planungs- noch in der Realisierungsphase erreichbar. Der Einsatz von fliegenden Kränen war damals auf Großbaustellen keine Besonderheit. Der fliegende Kran „WF-S 64“ war z.B. der stärkste Lasthubschrauber der damals westlichen Welt und wurde in den 1960er Jahren auf Baustellen zur Montage von Fertigteilen und Modulen eingesetzt, um die Ressourcen effizient zu nutzen und vor allem Zeit und Kosten zu sparen. Einen derartigen Einsatz auf Baustellen würde man heute eher für Science-Fiction halten.

Die aktuellen Hochhausprojekte lassen jetzt schon zwei Tendenzen erkennen: Zum einen werden wieder verstärkt Wohntürme entwickelt, da sie derzeit profitabler sind als die Entwicklung von Bürotürmen. Zum anderen müssen die bestehenden Hochhäuser revitalisiert werden, da ansonsten Leerstand oder Gefahr im Verzug z.B. durch absturzgefährdeten Fassadenteile droht.

Um in einem entsprechend rasanten Tempo dem neuen Hochhausboom gerecht zu werden, müssen gleichzeitig die Unwägbarkeiten und Risiken im Zusammenhang mit der Fassadenplanung frühzeitig erkannt und bei der Projektierung berücksichtigt werden.

Häufig werden bei der Planung von Wohnimmobilien im Gegenteil zu Büroimmobilien mit einer Funktionsfassade keine spezialisierten Fassadenkenntnisse vorausgesetzt. Das kann nur gut gehen, solange es sich bei dem Vorhaben um kein Hochhaus handelt. Bei einem Wohnhochhaus hingegen sind aufgrund der exponierten Lage der Fassade/Fenster spezialisierte Kenntnisse im Bereich der Fassadentechnik erforderlich. Solche Anforderungen wie z.B. Schlagregendichtheit oder Schallschutz gegen Außenlärm können bei Wohnhochhäusern, die auch widersprüchlichen Anforderungen aus der neuen Lüftungsnorm entsprechen müssen, das gesamte Fassadenkonzept zum Kippen bringen.

Die Revitalisierung von bestehenden Hochhausfassaden aus der Nachkriegszeit setzt neben fundiertem Know-how im Bereich der Fassadentechnik auch weitergehende Kenntnisse über die Bausubstanz und Bestandsuntersuchungen voraus, wenn ein abenteuerliches Unterfangen nach der Auftragsvergabe verhindert werden soll.

 

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Der Autor
Karan Djalaei
Inhaber
KD Fassadenplanung