10.04.2017
Yvonne Traxel

Das Unerwartete ist fast schon Normalität geworden.

2. Jahreskongress Finanzierung für die Real Estate Industry in der Villa Kennedy

„Das Unerwartete ist fast schon zur Normalität geworden“, so begrüßten der Veranstalter BF.direkt, Francesco Fedele und der fachliche Leiter Prof. Steffen Sebastian, IREBS die rund 150 Teilnehmer zum 2. Jahreskongress Finanzierung.

Damit deutete er auf die politischen Veränderungen in den USA, die lange Phase expansiver Geldpolitik der EZB und unvorhergesehene Wahlergebnisse wie den Brexit hin.

Den Eröffnungsvortrag hielt Bundesminister a.D. Peer Steinbrück. Er sieht eine zentrale Frage im Hinblick auf die USA darin, wie Präsident Trump zukünftig in Krisenzeiten reagieren wird. Was die Zinspolitik der EZB anbetrifft, sagte er: “Draghi ist eine Art Ersatzakteur geworden, da die Banken versagt haben. Die EZB ist nun dazu verdammt, expansive Geldpolitik zu betreiben, so dass Zombi-Banken und alte Strukturen am Markt erhalten bleiben, die wir eigentlich beseitigen wollten.“ Der Spread zwischen dem Zinsniveau der USA und Europa werde größer, so seine Prognose, was zu einer nennenswerten Zinswende in Europa voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2018 führen wird. Wichtig ist es nun, eine neue Bankenkultur zu etablieren, um das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen und die Gemeinwohlinteressen zu stärken. In der Konsolidierung des Finanzmarktsektors sieht er einen Schritt in die richtige Richtung.

Bezogen auf die Immobilienwirtschaft sieht Steinbrück die Lage als fragil an. Er empfiehlt, den Fokus auf das eigentliche Problem zu legen, nämlich die zunehmende Knappheit an Wohnraum und Grundstücken in den Städten. Die Mietpreisbremse bewertet er als unwirksam, da sie die Probleme nicht löst, sondern die Renditen auf das investierte Geld beschneidet. Wer jedoch glaube, dass der Markt es schon richten werde, dem entgegne er, dass dies „Bullshit“ sei. Das habe die Vergangenheit eindringlich gezeigt. Maria Teresa Dreo von der UniCredit Bank beantwortete die Frage, ob es – angesichts der niedrigen Zinsen – zu Verwerfungen oder einem Spillover-Effekt im Immobilienmarkt kommen werde, mit einem klaren Nein. Die Banken seien nicht die Treiber der steigenden Preise.

Im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen in Deutschland, Frankreich und NRW erwarteten die Teilnehmer mit Spannung die Prognosen von Siegmar Mosdorf, CNC. Sofern die Prognosen eintreten, sind allerdings keine großen Überraschungen zu erwarten: Es werde ein Fortsetzen der großen Koalition in Deutschland geben, Macron werde in Frankreich das Rennen machen und in NRW werde die SPD erneut stärkste Kraft werden. Sofern der ein oder andere Teilnehmer angesichts von Brexit und Trump an diesen Vorhersagen zweifelte, ließ er es sich hier nicht anmerken.

Ein Highlight war das Panel am Mittag, in dem z.T. kontrovers diskutiert wurde, wie sich die Banken für die Zukunft des Immobilienmarkts positionieren. Dass der deutsche Markt „overbanked“ ist, darin waren sich die Diskutanten einig. Francesco Fedele von BF.direkt wies darauf hin, dass man sich angesichts sinkender Margen mehr am Kunden und seinen Wünschen orientieren sollte, denn so komme man zu neuen Produkten, die sich vom Wettbewerb unterscheiden: „Alle machen das gleiche Geschäft, der einzige Unterschied ist heute in der Geschwindigkeit, Lieferzuverlässigkeit und im Preis zu finden“. Steffen Günther, DG Hyp, sagte, dass sie nur Kredite für gewerbliche Immobilien anbieten können, aber keine Mezzanine-Produkte, da das Risiko nicht immer einzupreisen sei. Thorsten Schönberg, LBBW, widersprach sowohl Francesco Fedele als auch Steffen Günther. Seiner Meinung nach ist der Verdrängungswettbewerb eine Tatsache, der man sich stellen muss. Risiken seien sehr wohl zu bepreisen, es sei lediglich die Frage, ob der Preis am Ende auch stimmt: „Fremdkapital ist ein Regulativ, man muss so viel verdienen, dass ein Ausfall kompensiert werden kann“, so sein Fazit. Siegfried Eschen, Commerzbank, gab zu bedenken, dass der Kunde für die Beratung im Grunde keine Banken, sondern eine Art Autobahn zwischen Kreditgeber und -nehmer braucht. Die eigene Bank sei nur noch notwendig, um das Geld zu parken. Insofern werden Blockchain-Technologien seiner Meinung nach in den nächsten 5 Jahren erheblich an Bedeutung gewinnen. Auch Online-Analysen werden in Zukunft immer wichtiger.

Wer bisher kaum geglaubt hat, dass die Digitalisierung den Finanzmarkt verändern wird, dem wurden am Nachmittag die rasanten Entwicklungen im In- und Ausland am Beispiel Leverton und der FinTechs vor Augen geführt. „Wer die digitalen Veränderungen nicht mitmacht, wird irgendwann aus dem Markt sein“, so Dr. Emilio Matthaei, Leverton. Die Idee von Leverton, dass man Daten – möglichst real time – strukturieren können muss, um damit etwas anzufangen, ist so simpel wie einleuchtend. Bei Leverton sind alle originär rechtlich bindenden Dokumente der Ausgangspunkt für die digitale Nutzung. Frank Schwab, GIZS, machte deutlich, dass PayPal heute doppelt so viel wert ist wie die Deutsche Bank und dass die Schweden ihre Datenbanken schon jetzt auf Blockchain-Technologie umstellen. „Wir sind mitten in der Veränderung; alle Banken haben ein oder zwei Partner, um am Ball zu bleiben“, so Schwab.

Am Ende des Jahreskongresses lautete das Fazit, dass staatliche Regulierung die Risiken nicht abpuffern kann und die Zinsen am langfristigen Ende steigen werden. Das Business der Banken und der Immobilienwirtschaft wird weiter leben, allerdings wird mehr Eigenkapital notwendig sein und auch eine Anpassung an digitale Prozesse stattfinden müssen. Entwickler müssen sich im immer mehr mit alternativen Finanzierungsformen wie Mezzanine, der Kapitalbeschaffung über die Börse und anderen Instrumenten auskennen, wenn sie am Markt nachhaltig erfolgreich sein wollen.

Wir sind gespannt, ob die Prognosen über Wahlergebnisse, Zins- und Finanzentwicklungen eintreffen. Nächstes Jahr wissen wir (hoffentlich) mehr!

Das Event zum Thema
Die Autorin
Yvonne Traxel
Head of Operations
Heuer Dialog GmbH