Der Autor
Prof. Dr. Thomas BeyerleHBC Hochschule Biberach
Über lange Zeit herrschte eine klare Vorstellung von Büroarbeit: Fester Arbeitsort trifft auf festen Arbeitsplatz zu fester Arbeitszeit mit festen Pausenzeiten – der klassische Alltag eines bzw. einer Bürobeschäftigten. Und unabhängig von der jeweiligen Büroform. Doch diese - rückblickend - starren Raum-Zeit-Strukturen brechen immer mehr auf. Ein gewandeltes Verständnis von Arbeit, deren Wertstiftung und die Verortung der Leistungserstellung spiegelt sich in neuen Arbeitszeitmodellen, neuen Bürokonzepten, neuen Büroimmobilien wieder und wird durch eine stark zunehmend digitalisierte Arbeitswelt weitgehendgeprägt. Das statische Moment dieser Gleichung, die Bürofläche, gerät dabei ins Spannungsfeld von temporärer Nutzung einerseits, traditionell langfristig zu entrichtenden Nutzungsentgelten und der daraus resultierenden Wertstabilität von Büroobjekten als Anlagevehikel andererseits. Wenn alles mobiler und digitalisierter wird, das pay-per-use Konzept Einzug hält - welche Rolle nehmen künftig Büroflächen aus Nutzer- und Investorenblickwinkel ein? Wird "das Arbeiten" noch langfristig, strukturiert und messbar auf Büroflächen stattfinden? Und vor allem: was sagen die „Betroffenen“ dazu? Welche Sichtweise nehmen diejenigen ein, welche sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt ihre Bürosozialisierung erfahren haben?
Kommunikation, so scheint es wird die höchste Wertstiftung zugesprochen, sie ist das zentrale Element einer räumlichen Verortung der Tätigkeit. Der „Arbeit“ kann zwar auch von zuhause, in der S-Bahn auf dem Weg zum Büro oder im Café um die Ecke bei Sonnenschein nachgegangen werden, aber eben nur Stunden, teilweise Tage, aber keinesfalls über einen längere Zeitraum. Und die Autonomie des „ich entscheide wann ich arbeite“ ist eine überdeutliche Forderung gerade der jüngeren Generation – und stellt eine klare Absage gegenüber Modellen dar, welche die Arbeitszeitfenster definieren. Stichwort hier: Server abschalten zwischen 20.00 und 6.00 Uhr. Die eigene Verantwortung, Optimierung, Sinnstiftung bis hin zu „Spaß bei der Arbeit“ sind Faktoren welche strukturierte, vermeintlich zum Wohle der Betroffenen gut gemeinten Prozesse zunehmend in Frage stellen. Fast scheint es, dass es eine „unsichtbare Hand“ des Zusammenkommens gibt, welches das Schmiermittel zwischen den Arbeitsabläufen ist. Nennen wir es bis auf weiteres „menschliche soziale Kontakte“ auf einer funktionalen Bürofläche an einem gut angebundenen Standort mit Infrastruktur im Umfeld oder im Gebäude. Dies identifizieren wir als die smart real world in der Anforderung und Umsetzung der Arbeit 4.0. Sollte dies die DNA der näheren Zukunft sein, wird ersichtlich, dass etliche Büroflächen einem massiven Strukturwandel unterliegen werden in den kommenden Jahren. Mit allen positiven wie negativen Konsequenzen auf Nutzungszeiträume, Nutzungsintensitäten und Nutzungsentgelten.
Aber: etliche Analysen und mehr noch Umfragen der letzten Jahre sind immer nur ein Ausschnitt eines Zeitraums zu diesem speziellen Thema. Mehr noch: Umfragen unterliegen immer stärker eines immer kürzer werden Verfallszeitraum – mehr Technik, mehr Information und mehr Vergänglichkeit der Planbarkeit von Prozessen sind die Folge. Einfacher formuliert: die atemberaubende Dynamik gerade der technologischen Veränderung steht vermeintlich immer stärker im Widerspruch zu einem dauerhaft angelegten, wert- und nutzenstiftenden Objekts welches täglich in Deutschland von Millionen Menschen, sog. Bürobeschäftigten aufgesucht und genutzt wird – klassischerweise der Schreibtisch in einem Bürogebäude an einem infrastrukturell gut angebundenen Standort.
Gleichwohl beschleicht Eigentümer, Nutzer, Unternehmen, Investoren oder Städte das Gefühl, dass sich an den Rändern des Büroarbeitens in der Mitte der Zweiten Dekade des 21 Jahrhunderts etwas ändert – die Planungshoheit der Entscheider und die Langfristigkeit der Planung nimmt tendenziell ab. Die Funktion der Leistungserstellung von Dienstleistungsbeschäftigten an zentralen Schreibtischen an zentralen Lagen erfährt eine Änderung in den Gebäuden selbst: Die Frage „wo, bei wem und wie der Schreibtisch steht?“ wird immer stärker in die vermeintliche Wahlfreiheit und shared economy übergeführt. Ergebnis ist eine wachsende Nutzungsmischung räumlicher und zeitlicher Art. Gerade die Frage „was ist Arbeiten in der digitalisierten Welt“ wird die neue Variable in der Immobiliengleichung sein.
Klar ist zumindest bisher eines: die Erwartungen an Veränderungen scheinen dabei schneller vonstatten zu gehen, als die Umsetzung mittels neuer Bürokonzepte in Unternehmen operativ und ökonomisch zulässt. Strikt dezentrale und informelle Arbeitsweisen werden über Generationen hinweg zugunsten von Einzel- und Kleinraumbüros zu großen Teilen abgelehnt. Die räumliche Nähe zu Menschen – aber eben auch die zeitliche Wahlfreiheit derselben – ist zweifelsfrei auch die DANN der kommenden Jahre bei der Frage nach der Büroarbeit und damit Bürofläche der Zukunft. Wenn die Befragten folglich ein Mehr an Ausstattung, ein Mehr an Kommunikationsmöglichkeiten und ein Mehr an Funktionalität fordern, ist dies punktuell vordergründig als Kostentreiber zu sehen, es ist aber letztlich ein Defizit an den aktuelle Strukturen welche bereits heute von den Befragten für die nahe Zukunft gesehen werden.
Unternehmen welchen es gelingt diesen technisch-kostenintensiven Spagat zu bewerkstelligen sind die Gewinner der Zeitenwende von der physischen zur digitalen Ära. Gerade auch weil es mehr denn je Kristallisationspunkte in den zentralen Orten zur Kommunikation, zum persönlichen Austausch und der direkten Wissensvermittlung geben wird – früher als Büroarbeitsplatz bezeichnet. Demnächst wahrscheinlich mit einem coolen Namen versehen. Aber immer noch ein Schreibtisch mit einem Menschen.
Die Aussagen basieren in Auszügen auf der aktuellen Catella Studie „DIE ZUKUNFT DER BÜROARBEIT – Ein notwendiger Zusammenhang von Arbeiten und Büronutzung?“ welche auf der Veranstaltung „SMART REAL ESTATE“ am 25. April in München vorgestellt wird.