Der Autor
Andreas GräfGeschäftsführer (COO), formart GmbH & Co. KG
Die Faktoren, die die Menschen in Deutschlands viertgrößter Stadt so sehr an ihre Heimat binden, sollten bei jeder neuen Quartiersentwicklung bedacht werden. So kann das kölsche „Veedels“-Konzept bundesweit eine klare Orientierung für Stadtplaner und Projektentwickler geben.
Köln erfreut sich wie nur wenige andere Städte in Deutschland großer Beliebtheit. Die generell positiven Urteile über die Domstadt kontrastieren gleichwohl oft mit dem Befund mangelnder städtebaulicher Schönheit. In der Summe entsteht der Eindruck, dass die Kölner Stadtviertel nach außen zwar wenig architektonische Attraktivität ausstrahlen. Doch wenn man sich längere Zeit in einem Kölner „Veedel“ aufhält, erzeugt die Stadt eine einladende und faszinierende Atmosphäre. Anders gesagt: Der schnelle und häufig konzeptlose Wiederaufbau der stark kriegszerstörten Stadt wird durch die gastfreundliche und offene Mentalität der Kölner kompensiert.
Dieser Umstand weist auf einen wesentlichen Punkt gelungener Quartiersentwicklung hin: Der Mensch, der jeweilige Bewohner, muss im Mittelpunkt stehen. Erst wenn er sich über seine Grundbedürfnisse hinaus die Stadt als Lebensort aneignet, beginnen die vollständige Identifikation und das freiwillige Engagement der Bürger. Beides ist für eine lebenswerte Stadt unabdingbar. Eine Verwaltung muss dazu die nötigen Rahmenbedingungen schaffen und sich einer breiten interdisziplinären Expertise bedienen, wie es beispielhaft im „Wohnungsbauforum Köln“ geschieht. Hier werden kommunale Wohnungsunternehmen und privatwirtschaftliche Projektentwickler frühzeitig in die Neu- und Umgestaltung der Kölner Stadtquartiere miteinbezogen.
Beispiele der jüngeren Quartiersentwicklung zeigen auf, welche Fehler vermieden werden müssen: Neue Quartiere dürfen nicht losgelöst von der städtischen Gesamtidentität auf der grünen Wiese entstehen, wie es in den 1970er Jahren noch als Erfolgsrezept galt. Öffentliche Plätze als Herz des Quartiers dürfen nicht der motorisierten Nutzung dienen, sondern müssen gerade in der Stadt begrünte und ruhige Orte der Begegnung sein. Singuläre Nutzungsformen wie beispielsweise reine Wohnquartiere sind ebenso zu vermeiden wie homogene Bevölkerungsstrukturen. Gerade die soziale Durchmischung ist ein Kölner Erfolgsmodell, das es zu bewahren gilt. Die Rheinmetropole ist aktuell weit entfernt von den lebhaft geführten Gentrifizierungsdebatten in Hamburg oder Berlin.
Wie das „Veedel“ des 21. Jahrhunderts aussehen kann, zeigt formart mit dem Projekt „Halle 17“, als Teil einer größeren Projektentwicklungsinitiative im 160.000 Quadratmeter großen Clouth-Quartier in Köln-Nippes. Die ehemaligen Produktionsstätten aus dem Zeitalter der Industrialisierung erlauben mit ihren flexiblen Grundrissen und hohen Decken vielfältige Nutzungen als Wohnung, Büro, Café oder Atelier. Die neuen Gebäude orientieren sich an der Architektur des bestehenden Industriedenkmals, großzügige Innenhöfe laden zum Verweilen im Grünen ein. Im Sinne kurzer Wege sieht das Konzept Wohnungen unterschiedlicher Größen, Gewerbebetriebe für die fußläufige Nahversorgung und eine einladende Gastronomie vor. Damit knüpft die Quartiersentwicklung an den Stadtteil Nippes an, der sich mit Wohnhäusern aus der Gründerzeit und einer attraktiven Kultur- und Gastronomieszene wachsenden Zuspruchs vor allem unter jungen Leuten erfreut.
Die Mischung macht’s: Diese Devise gelungener Stadtentwicklung gilt an wenigen anderen Orten so sehr wie in der jahrtausendealten Handelsstadt Köln mit ihrer Lage an zentralen Verkehrsknotenpunkten Europas und entsprechender Frequentierung aus allen Teilen des Kontinents. Das davon abgeleitete „Veedels“-Konzept sollte maßgeblich für moderne Quartiersentwicklungen in ganz Deutschland sein.