09.11.2016
Oliver Martini

Das Offenburger Modell

Der Wettbewerbliche Dialog als kooperatives Verfahren zur Stadt- und Standortentwicklung

Der Wettbewerbliche Dialog ist ein Ansatz für konfliktbeladene Aufgaben der Stadtentwicklung.

Wo komplizierte Grundstücksverhältnisse, Ziele des Städtebaus und der Wirtschaftlichkeit, private und öffentliche Interessen zusammenkommen bzw. aufeinander prallen, bietet der Wettbewerbliche Dialog als kooperatives und integratives Planverfahren eine Möglichkeit, die richtige Lösung gemeinsam zu entwickeln. Denn die besten Lösungen entstehen durch die konstruktive Auseinandersetzung, nicht durch Konfliktfreiheit.

Die Ausgangslage in Offenburg

Die städtebauliche Struktur der Offenburger Innenstadt ist maßgeblich durch die historische Entwicklung geprägt. Die mittelalterliche Ordnung von Straßen, Wegen und Plätzen ist am heutigen Stadtgrundriss noch deutlich ablesbar. Die historische Stadtmauer ist in weiten Teilen erhalten und auch heute noch ein prägendes Element im Stadtbild.

Der Innenstadtbereich ist daher auch durch eine sehr dichte und kleinteilige Baustruktur mit einem hohen Anteil an denkmalgeschützter Bausubstanz geprägt. Aber auch hinsichtlich der Nutzungsstruktur bietet die Innenstadt ein gut gemischtes Bild. Einzelhandel, Wohnen, Dienstleistung und Gastronomie bilden einen kleinteiligen Nutzungsmix.

Die historisch gewachsene Kleinteiligkeit spiegelt sich natürlich auch in der Einzelhandelsstruktur wider. Knapp 90% aller Einzelhandelsbetriebe in der Innenstadt haben eine Verkaufsfläche unter 200 qm. Flächenpotentiale für größere Ladeneinheiten sind innerhalb der mittelalterlichen Stadt nicht mehr vorhanden.

Das Entwicklungsprojekt „Nördliche Innenstadt“

Historisch gewachsene Kleinteiligkeit und die Anforderungen veränderter Handelsformen stehen oft im Widerspruch, müssen sich aber nicht zwingend ausschließen. Für die Weiterentwicklung einer Innenstadt sind sowohl die Bewahrung der gewachsenen, historischen Substanz als auch neue bauliche Konzepte notwendig. Die richtige Maßstäblichkeit ist in diesem Zusammenhang eine große Herausforderung.

Mit der Entwicklung der so genannten Nördlichen Innenstadt bietet sich für die Stadt die Chance, in zentraler Innenstadtlage zwischen bestehender Fußgängerzone und Bahnhof die Defizite im Einzelhandelsangebot zu beseitigen. Daher sollen auf dem Areal im Rahmen der Entwicklung Nutzungen realisiert werden, die traditionell die Innenstadt ausmachen, wie eben Handel, Wohnen, Dienstleistungen und Gastronomie.

Das Wettbewerbliche Dialogverfahren

Die Stadt hatte sich dazu entschieden, für diesen Bereich ein Ausschreibungsverfahren in Form eines wettbewerblichen Dialogs durchzuführen. Übergeordnete Zielsetzung für die Entwicklung des Areals „Nördliche Innenstadt“ sollte ein städtebauliches Konzept mit „offenem Entwurfsansatz“ sein. Zentrale Elemente waren in diesem Zusammenhang die funktionale Einbindung der Umgebung, durchgängige Wegeverbindungen und eine differenzierten Baukörperstruktur.

Mit dem Wettbewerblichen Dialog arbeiten die Kommune und die Investoren „im Dialog“ an einer Lösung. Dies unterscheidet sich eben zu anderen Verfahrensarten, bei denen im Anschluss an eine intensive Bearbeitungsphase eben in der Regel eine anonymisierte Bewertung im Rahmen einer Preisgerichtssitzung stattfindet.

Im Vergleich zu einem reinen Architektenwettbewerb wird mit dem „Wettbewerblichen Dialog“ vermieden, dass die Kommune einen unter Umständen sehr schönen, vielversprechenden architektonischen Entwurf prämiert, der entweder gar keinen Investor findet oder der unter dem Einfluss eines erst später eingeschalteten Investors entscheidend verändert wird, damit er überhaupt realisiert wird.

Im Vergleich zu einer reinen Investorenausschreibung wird mit dem „Wettbewerblichen Dialog“ vermieden, dass städtebauliche und architektonische Aspekte zugunsten des finanziell attraktivsten Angebots nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Im Vergleich zum reinen Grundstücksverkauf kann die Kommune im „Wettbewerblichen Dialog“  in viel intensiverer Weise auf die endgültige Lösung Einfluss nehmen, auch wenn der Grundstücksverkauf wettbewerblich organisiert wird.

Das Konzept Nördliche Innenstadt

Mit dem im Wettbewerblichen Dialogverfahren entwickelten Konzept konnten die städtebaulichen Ziele der Stadt erfüllt werden. In der Nördlichen Innenstadt entsteht ein neues, attraktives Quartier mit mehreren unterschiedlich gestalteten Baukörpern – ein offenes Konzept mit einem Wegenetz, das die gewachsenen Stadtstrukturen im neuen Quartier fortschreibt.

Mit 25 Ladeneinheiten und einer Verkaufsfläche von maximal 12.000 qm (im Vergleich dazu Karstadt mit 10.000 qm und das Modehaus Zinser mit 7.500 qm) kann das Quartier nicht autark existieren, sondern ist darauf angewiesen mit der gut funktionierenden Innenstadt ein attraktives Gesamtangebot zu bieten.

Die Stadthalle wird erhalten bzw. muss aufgrund der schlechten Substanz teilweise rekonstruiert werden. Dem Quartier wird mit der prägnaten Form der alten Stadthalle eine eigene Ausprägung gegeben, und es erhält ein stadtgeschichtlich interessantes Gebäude.

Der Autor
Oliver Martini
Erster Bürgermeister der Stadt Offenburg