Der Autor
Dr. Markus VogelGeschäftsführer, BÜRO DR. VOGEL GMBH
In Berlin gab es seit der Wende zwei Fluchtwellen in Richtung Land. Die letzte fand gegen Anfang der Jahrtausendwende statt, als die Umlandgemeinden einen starken Zuzug zu verzeichnen hatten. Der Run auf diese Gemeinden hielt für eine paar Jahre eine irgendwie spezielle Wohnbauindustrie lebendig, die - Land auf Land ab - den gleichen Unsinn baute. Mit der Zeit jedoch erkannten viele, die dort lebten, dass es in der Stadt so schlecht gar nicht gewesen sein konnte. Seit 7 oder 8 Jahren ist nicht nur von dieser Gruppe der Run auf die Innenstädte ungebrochen, es kommen auch die, die von ganz woanders her kommen, zunächst am liebsten in die Mitte der Stadt.
Geht das überhaupt, dass so viele Menschen alle zum gleichen Ort wollen? Ideell ja, physisch nein, es sei denn man schafft die Voraussetzungen dafür!
Seit einem Jahr vernimmt man nämlich in Berlin tatsächlich auch wieder das Wort der Stadtflucht, es taucht auf in Feuilletons und in ernsthaften Diskussionen darüber, wie wir Menschen auf die immer steigenden Mieten und Kaufpreise reagieren.
Für eine solche Stadtflucht gibt es am Ende aber nur zwei Gründe: Angebot und Preis. Gibt es kein Angebot da, wo ich sein will, ziehe ich weiter. Ist es zu teuer, ziehe ich so lange weiter nach draußen, bis es billig wird.
Das führt dann dazu, dass man an der geografischen Lage von Wohnhäusern bisweilen fast treffsicher das entsprechend verfügbare Jahreseinkommen ihrer Bewohner ablesen kann.
Gibt es Alternativen oder mindestens Möglichkeiten, das Hin und Her in eine Richtung zu lenken? Ich meine ja.
Wenn man über die Erde fliegt zu anderen Metropolen dieser Welt, fällt vor allem eines auf: Die Dichte, die man sich andernorts traut in die Mitte der Zentren zu bauen. Dichter geht es noch erheblich mehr bei uns.
In Deutschland traut man sich diese Dichten nicht mehr so leicht, und in Berlin scheint eine solche Diskussion von der lokalen Bezirks-Politik geradezu verachtet zu werden. Dichte, so heißt es, ist etwas Massives, Vieles türmt sich aufeinander. Und Dichte bedeutet Anstrengung. Die Anstrengung, die bauliche und stadträumliche Gestaltung so mit den Anforderungen der Menschen, die alle in die Stadt wollen, übereinander zu bringen, das Dichte mehr bringt als sie einschränkt.
Dichte ist aber auch eine Chance, die Menschen näher zusammenzubringen, sie zu entlasten von vielen Wegen, die Nutzungen des täglichen Lebens miteinander zu koordinieren, und die Stadt der kurzen Wege auch im täglichen Leben erfahrbar zu machen.
In den letzten Jahren fällt mir auf, dass die Dichte-Diskussen immer von zwei sich gegenüberstehenden Polen geführt wird: Auf der einen Seite steht da die Frage der Umweltbelastung und die Einschränkungen gegenüber der Natur. Das ist grundsätzlich richtig. In Diskussionen mit Umweltaktivisten und Bauversagern gebe ich auch immer zuerst zu, dass es aus Sicht der Natur am besten ist, das Stück Gras, was dort liegt, einfach Gras sein zu lassen. Zu Ende gedacht hieße das aber auch, dass sich Städte, wenn sie mehr Menschen anziehen, als sie aktuell haben, immer in die Fläche wachsen. Wollen wir das?
Der andere Pol ist jener der Teilhabe. Und dieser wird allzu selten in seiner Bedeutung richtig verstanden. Dichte ermöglicht im positiven Sinne eben auch, mehr Menschen an der Stadt und an ihren Vorteilen teilhaben zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Stadt für ihr eigenes Leben gewinnbringend zu nutzen. Dazu gehören aus meiner Sicht nicht lange Wege zur Arbeit oder ins Grüne, sondern dazu gehört eine Infrastruktur, die ebenso dicht die Einwohner unterstützt.
Um irgendwann nicht mehr alle Jahre über Stadt oder Landflucht zu sprechen, ganz frei nach dem Motto: „Welchen Trend haben wir denn gerade…?“ müssen wir die Stadt der Dichte wieder zum Leitbild der Innenentwicklung erheben. Da reicht es leider nicht, die eine oder andere Anpassung im BauGB vorzunehmen, wenn die Lücken für die Alternativen noch zu billig sind.
Was wir brauchen, ist eine ideologiefreie Diskussion zu Dichten, also zur Ausnutzung von Grundstücken: Bauhöhen, und als derzeit in Deutschland wichtigstes Thema: zur sogenannten „Überformung“ eines Stadtquartiers. Dies ist aktuell ein besonders beliebter Kampfbegriff der Widerständler gegen Bauen und alles Neue, der immer dann aus der Kiste geholt wird, wenn man keine Argumente mehr hat. Was ist falsch daran, wenn verschlissene und hässliche Bauwerke weggenommen werden sollen, um passenderen und besseren in der Stadt Platz zu machen?
Dabei ist abschließend wichtig, dass mehr Dichte nicht ausschließlich als Phänomen des Mittelpunkts einer Stadt selbst verstanden wird, sondern als typologisches und stadträumliches Postulat begriffen wird, das gerade in polyzentralen Städten dafür sorgen kann, dass die Stadt vielfältig und überall Sta(d)tt-finden kann.
Stadt kann nur Stadt bleiben, wenn Sie sich erneuert, wenn sie bei größerer Nachfrage höher und dichter werden darf an Stellen, die vorher nicht optimal genutzt wurden, und wenn sie ihren Bewohnern die Chance gibt, genutzt zu werden. Das geschieht nicht auf den Ausfallstraßen in die Umlandgemeinden und auch nicht auf den Bahnstrecken.
In Berlin war man früher einmal weiter, was dieses Thema betrifft, vielleicht kommen wir da ja doch wieder einmal hin.