10.09.2016
Viktor Weber

Der Weg in die Zukunft der Branche

Ein Appell für mehr immobilienwirtschaftliche Innovation

In der Immobilienwirtschaft stellt sich die Frage: „Disrupt or be disrupted?“

Während die Immobilienwirtschaft mit der längst überfälligen digitalen Transformation hadert, Building Information Modelling für viele Akteure die Benchmark an Innovation darstellt und Themen wie Big Data nicht wirklich verstanden wurden, werden unzählige Branchen in ihrem Kerngeschäft durch junge Unternehmen angegriffen. Die Waffen heißen Künstliche Intelligenz und Big Data, die Munition besteht aus Bits und Bytes.

Die Einflüsse der Zukunft

Neben Künstlicher Intelligenz werden Robotik, Sensorik, Synthetische Biologie und 3D-Druck ihre Wirkung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entfalten. Von diesen fünf Grundsäulen technologischer Innovation ausgehend, können weitere Bereiche wie autonome Vehikel, das Internet of Everything und smarte Anwendungen abgeleitet werden.

Hinzukommen Augmented – sowie Virtual Reality, Big Data, Blockchain, voll integriertes Building Information Modelling, Neuro – und Quantencomputer, Crowd Funding, Crowd Sourcing und alternative Energiequellen. Da die Triebfeder der Innovation nicht nur technologischer Natur sein muss, bewirken der demographische Wandel, sozioökonomische, regulatorische und ökologische Impulse ein noch stärkeres Schwanken des immobilienwirtschaftlichen Status Quo.

Ein Ausblick in die mögliche Zukunft

Trotz der wenig standardisierten und transparenten Datenlandschaft in Deutschland, können mit Hilfe von Open – Data lernende Algorithmen für makroökonomische Prognosen sowie Bewertungsmodelle konzipiert werden. Optimierung und Prozessautomatisierung werden innovative Unternehmen schlanker gestalten, sodass Ausgaben für Forschung und Entwicklung erhöht werden können.

Smarte Technologien werden in zukünftigen Projektentwicklungen so selbstverständlich wie ein Internetanschluss sein. Die Infrastruktur der Städte wird sich den Trends der Robotik entsprechend anpassen. Dank der Fortschritte in den Bereichen Künstlicher Intelligenz und Synthetischer Biologie werden neue, regenerative und kybernetische Materialien entwickelt werden, die im Bau, aber auch dem 3D-Druck, genutzt werden können. Durch die Kommerzialisierung und Skalierung von Technologien wie der Continuous Liquid Interface Production (CLIP) werden sich Nachfragemuster im Bereich der Assetklassen Retail, Industrie und Logistik, ändern. Der zunehmenden Automatisierung geschuldet, werden Redevelopments und Revitalisierungen gefragter denn je.

Dies ist nur ein winziger, hypothetischer Ausschnitt der immobilienwirtschaftlichen Zukunft.

Der momentane Stand in Akademia & Praxis

Aus akademischer Sicht ist das Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft. Das immobilienwirtschaftliche Studium an den Top-Universitäten in Europa adressiert an keiner Stelle verpflichtend die vorherig genannten Technologien. Den zukünftigen Absolventen ist demnach kein Vorwurf zu machen, wenn sie altbewährte Wege einschlagen und an vielen Innovationen vorbeigehen. Glücklicherweise gibt es vereinzelte Lehrstühle und Promovenden, die sich auf eigene Faust mit zukunftsträchtigen Themen befassen.

In der Praxis weht ein etwas frischerer Wind. Etablierte Unternehmen kommen nicht umhin und gründen spezielle Bereiche, die sich mit immobilienwirtschaftlichen Zukunftsfragen beschäftigen. Bei Konferenzen finden sich ebenso immer öfter besagte Themen und junge Proptechs bilden die innovative Speerspitze.

Jedoch gibt es noch unzählige Prozesse, die zu optimieren, und Nischen, die zu füllen, sind. Der aktuelle Innovationsmonitor der International Real Estate Business School (IREBS) und persönliche Gespräche mit Vordenkern der Branche, bestätigen diese Einschätzung.

Der Weg in die Zukunft

Entscheider und Akteure der Immobilienwirtschaft müssen etwas mehr „Silicon-Valley“ sein und kreativer mit den Technologien unserer Zeit spielen. Wichtige Stichworte sind dabei Change Management und Interdisziplinarität. Es reicht nicht Innovation zu wollen, sondern sie muss gelebt und umgesetzt werden. Das bedeutet Veränderung in allen Bereichen und auf allen Ebenen eines Unternehmens. Essentiell ist dabei die Schnittstelle zwischen Innovation und Bewährtem, denn oftmals scheitern derartige Projekte an Fehlkommunikation und fehlendem gegenseitigem Verständnis. Daher ist es wichtig kompetenzübergreifende Teams mit flachen Hierarchen zu bilden und Open Innovation zu fördern. Zeitgleich sollten Daten aggregiert, konstant ausgewertet und in den Entwicklungsprozess eingebettet werden. Unternehmen sollten vor den hohen Einstandskosten nicht zurückschrecken, denn wer nicht innoviert, wird verdrängt werden.

An übergeordneter Stelle wird es zunehmend wichtig sein, allgemein gültige Datenstandards voranzutreiben. Selbst wenn Informationsasymmetrie in weiten Teilen der Branche noch als Alleinstellungsmerkmal und Asset gesehen wird, könnte Künstliche Intelligenz dies obsolet machen. Unternehmen sollten sich demnach öffnen, um einen gemeinsamen, detailreichen Datenstrom zu erzeugen, welcher tiefergehende Inferenzen zulassen würde. Neue Geschäftszweige und Optimierungsmöglichkeiten könnten somit entdeckt werden.  Gemeinsame Projekte wie der International Real Estate Data Exchange Council sind daher ein Schritt in die richtige Richtung.

Aus akademischer Sicht sollten Studenten mehr mit verschiedenen Technologien vertraut gemacht werden. Kurse wie Real Estate Business Innovation sollten eingeführt werden, um eine Wahlmodulspezialisierung in relevanten Bereichen zu ermöglichen. So wäre es wünschenswert, dass ein Student oder eine Studentin neben einem Schwerpunkt Immobilienfinanzierung - & Investment, Kurse in Big Data Analytics, Programmierung sowie Machine Learning belegen kann, um komplexere Modelle auf größerer Datengrundlage entwickeln zu können.

Wer ist dieser Disruptor?

Erst kürzlich hatte ich das Vergnügen, mit meinem Vortrag „Disruptive Innovations in Real Estate“ das „Revolution and Evolution: Hi-Tech and Real Estate“ - Panel der Royal Institution of Chartered Surveyors auf der European Real Estate Society Konferenz 2016 zu eröffnen. Als IREBS-Alumnus, der bereits seinen Bachelor mit Immobilienschwerpunkt absolviert hatte, fühlte ich mich dennoch wie ein Exot in einer eingespielten Branche. Neben der Gründung eines Machine Learning Unternehmens, einer Beratung für Digitalisierung und diversen Fortbildungen in den letzten Jahren, im Bereich Programmierung, Big Data, Robotik, Smart Cities und anderen Zukunftsthemen, hatte ich mich vom gewöhnlich Curriculum entfernt.

Der Text wurde zur Verfügung gestellt von Viktor Weber, Gründer, Future Real Estate Institute

Das Event zum Thema
Der Autor
Viktor Weber
Future Real Estate Institute