05.09.2016
Bernd Heuer

Wege zur "vernetzten Stadt"

Urbanität – Nachhaltigkeit – Digitalisierung

Städte wachsen und wachsen. 2050 werden 75 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, verbunden mit der Erwartung urbaner Lebensqualität.

Bild: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred Helmus, Bergische Universität Wuppertal

In den Städten werden demzufolge auch die Stellschrauben für die Umsetzung der auf der Pariser UNO-Klima-Konferenz vereinbarten Nachhaltigkeitsziele, u.a. der Verbesserung der Ressourceneffizienz in den Bereichen Flächen, Energie, Wasser, Klima, Kapital etc. von Bürgern gemeinsam mit Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft justiert werden müssen.

Für die geforderte Umsetzung der Vereinbarungen von Paris bis 2050, d.h. in 33 Jahren, und damit von Menschen, die heute erst geboren werden, ist nach Meinung von Experten ein Bottom-up-Vorgehen nötig, bei dem gesellschaftliche Initiativen und lokale Entscheidungsträger die beschlossenen Maßnahmen an die örtlichen Verhältnisse anpassen müssen.

Die über Jahrzehnte vom Bund und seinen Ministerien und Instituten geübte Top-Down Praxis in der Stadtentwicklung ist angesichts der verstärkt gewünschten Bürgerbeteiligung und der möglichen Innovationen, die mit der Digitalisierung verbunden sind, total neu zu gestalten. 

Die Digitalisierung in der Stadt-, Quartiers-, Projektentwicklung im Bestand und Neubau erfordert, dass der Immobilienlebenszyklus d.h. von der Planung bis zum Recycling von Baumaterialien umzusetzen ist. Die heute noch gegebenen "Prozessbrüche" im Informationsfluss setzen die Verbesserung der analogen Dialoge voraus. (Siehe Grafik,  Quelle: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred Helmus, Bergische Universität Wuppertal)

Die Umsetzung des Immobilienlebenszyklus in einen digitalen Prozess erfordert die Überwindung der Brüche. Die Akteure: Architekten,  Bauingenieure, Asset- bzw. Facilitymanager etc. denken und gestalten, weniger Bottom-up, sondern – wie in der Vergangenheit praktiziert – Bottom-down.

Meine Einschätzung ist, dass die "getrennte" Digitalisierung der einzelnen Prozessphasen kaum dazu beitragen wird, die Effizienz und damit der Umsetzung der Nachhaltigkeit des Planen, Bauen, Managen und Recycling zu verbessern. Diese Ansätze erschweren darüber hinaus die Integration der Nutzer, insbesondere der Bürger, die zunehmend eine Beteiligung an den Stadtentwicklungsprozessen anstreben. Wenig aussichtsreich erscheinen mir die sehr engagierten Initiativen vor dem Hintergrund der erforderlichen Investitionen, die bei der Digitalisierung Investitionen in mehreren Milliarden Euro erfordern u.a.mit Big Data und bei der Bereitstellung von WLAN in allen Städten und Regionen.

Die angestrebte Transformation wird wohl scheitern, weil die mittelständische Struktur der Unternehmen, die an dem Immobilienlebenszyklus beteiligt sind, das erforderliche Kapital nicht bereitstellen können. Die öffentliche Förderung, die zurzeit auf mehreren Ministerien basiert, ist bisher nur mit Ankündigungen in den Vordergrund getreten.

Vor diesem Hintergrund scheint es sinnvoll, führende Unternehmen in Deutschland, u.a. die SAP AG, die Siemens AG und sicherlich noch weitere Gesellschaften mit der entsprechenden Kompetenz in Forschung, Entwicklung, Kapital und Personal, in das Thema Entwicklung einer nachhaltigen Stadt zu involvieren.

Auf dem Weg zur "vernetzten Stadt" sind zurzeit unterschiedliche Projekte bzw. Programme zu registrieren. Zukunft Stadt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Smart City Charta für Deutschland des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur legte Ende 2015 einen "Stufenplan Digitales Planen und Bauen" vor, die planen-bauen 4.0 GmbH, der Verbände der Planungs-, Bau- und Immobilienwirtschaft angehören, ist erfolgreich unter dem Label Building Smart gestartet, die sich im Schwerpunkt um den Prozess Planen und Bauen unter der Bezeichnung BIM widmen. Zu erwähnen sind darüber hinaus die Initiative der Siemens AG, Metropolitan Solutions, wie auch der SAP AG Future Cities. Pricewaterhouse Coopers veröffentlicht ein Ranking digitalste Städte Deutschlands.

Das Wiener Magazin "future lab" fasst die aktuelle Diskussion in einer Überschrift am besten zusammen: Wie wirkt sich die Smart City auf die Stadtplanung und damit auf die Beteiligungs-und Mitmachkultur aus? Was ist die Rolle der Planung, des Städtebauers, der Gesellschaft in der Entwicklung von Stadt? Und was bedeutet das für die Ausbildung an unseren Hochschulen?

Ein letzter Blick sei noch auf die Aus- und Weiterbildung von Führungspersonal und Experten gemacht. Es ist zurzeit neben einigen Ansätzen auf der Basis von privat finanzierten Akademien noch kein Studiengang am Markt vorhanden, der Digital Officers in der Stadt-, Immobilien- und Quartiersentwicklung als Hochschulabschluss sei es als Bachelor oder Master anbietet. Für Duale Studiengänge bieten sich Marktchancen an.

Die Immobilienwirtschaft steht mit einem Umsatz von ca. 500 Mrd. Euro und ca. 2,8 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigen vor epochalen Herausforderungen, die beantwortet werden müssen, um den Stadt-Immobilienwert von ca. 10,1 Billionen Euro in die Zukunft zu führen. Ein Paradigmenwechsel, der die "Beachtung" des Artikels 14 unseres Grundgesetzes "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen"  berücksichtigt, könnte sich anbieten.

 

Bernd Heuer

b.heuer@agenda4.eu

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Bernd Heuer
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