24.07.2016
Torsten Rieckmann

Warum „soziale Quartiere“ so wichtig sind

Wohnen in Hamburg bis ins hohe Alter

Win-Win-Win-Situation: deutlich höhere Schnittmengen zwischen Immobilienwirtschaft und Gesundheitswirtschaft durch Gesetzesänderungen

Darüber, wie Senioren künftig wohnen wollen, ist schon häufig diskutiert und geschrieben worden. Hierbei stellt sich immer wieder die Frage, welche Rolle dabei die Immobilienwirtschaft, die Kommunen und die Gesundheitswirtschaft einnehmen sollen.

Durch die Einführung des Pflegestärkungsgestzes II stellen sich geänderten Rahmenbedingungen dar. Eine Antwort könnte sein, vernetzte Quartiere größerer Dimension zu entwickeln, die vielschichtige Wohnformen kombiniert mit den unterschiedlichsten Dienstleistungen beinhalten. Gemeint sind hiermit nicht die in den USA so beliebten Gated Communities und hat nichts mit der Sozialromantik mancher Überlegungen zu tun, denen es an wirtschaftlicher Tragfähigkeit fehlt. Gemeint sind vielmehr sich in den Stadtteil oder die jeweilige Ortschaft öffnende Quartiere, die auch mit nicht-seniorentypischen Bausteinen wie z.B. KITAs und Auszubilden- und Studentenwohnheimen durchmischt sind.

Bedürfnisse der Senioren wie Komfort, Sicherheit und soziale Kontakte (durch Single-Gesellschaft im Alter zunehmend wichtiger) werden durch unterschiedliche Bausteine dieser „sozialen Quartiere“ wie Betreutes Wohnen, Tagespflege, ambulant betreute Wohngemeinschaften, stationäre Pflege, diese bestenfalls spezialisiert, einer Sozialstation und Begegnungsräume mit einem Quartierscafe erfüllt. Was hat die Immobilienwirtschaft davon? In Zeiten steigender Mieten und hohen Vermietungsständen (zumindest in den Ballungszentren) scheint der Anreiz für Veränderungen gering. Doch ein Blick in die Zukunft lässt sich verschiebende Nachfragegruppen erkennen. Wer sich als Immobilienunternehmen darauf einstellt, stellt die Nachhaltigkeit seines Bestandes sicher und kann aufgrund der Gesetzesänderung eine wirtschaftliche Tragfähigkeit erzielen. Was haben die Kommunen davon? Refinanzierungsquellen von pflegerischen Leistungen werden sich ändern. Dies kann dazu führen, dass die Kommunen finanziell entlastet werden, wenn pflegebedürftige Senioren überwiegend in den oben genannten Bereichen versorgt werden. Zudem bietet sich die Chance, geförderten Wohnungsbau in die Quartiere zu integrieren, was das Zielgruppenspektrum erhöht und günstigen Wohnraum schafft. Was hat die Gesundheitswirtschaft davon? Ein Anbieter, der im Idealfall ambulante und stationäre Pflegeversorgung erbringt, kann sein Pflegepersonal im sozialen Quartier hochgradig effizient einsetzen und kann zwischen den einzelnen Bereichen personell variieren. Ergänzend kann er außerhalb des Quartiers ambulante Pflegedienstleistung erbringen. Wie sollte des soziale Quartier dimensioniert sein? In den Ballungszentren kann für ein soziales Quartier eine Größe von 30.000 – 35.000 Bruttogrundfläche sinnvoll sein. Dazu würden die nicht-seniorentypischen Nutzungen kommen. Eine Ghettoisierung kann aufgrund der Durchmischung mit unterschiedlichen Nutzungen ausgeschlossen werden. Hierbei sind 80-90 Prozent der Flächen als wohnwirtschaftlich anzusehen, wobei die restlichen Flächen eine dem Quartiersservice dienende Nutzung haben. Was sind die Voraussetzungen? Die öffentliche Hand muss, auch zu ihrem eigen Nutzen, Grundstücke für soziale Quartiere zur Verfügung stellen und bei möglichen Ausschreibungen darauf achten, dass der Quartiersgedanke in dem hier beschriebenen Sinne realisierbar ist, ohne dass Vergaberichtlinien ein zu enges Korsett bilden. Wie sieht dies in der Praxis aus? In der Praxis wird der Gruppe der Senioren eine Mischung aus verschiedenen Wohn- und Versorgungsformen geboten, die Ihnen ein hohes Maß an Sicherheit in der Versorgung abhängig von Ihrem Gesundheitszustand bietet, ohne dass bei einem veränderten Gesundheitszustand ein Umzug nötig wird. Gemeinschaftsflächen bieten Gelegenheit, mit Gleichgesinnten seinen Hobbys nachzugehen. Eine Teilhabe am Leben findet statt. Gibt es Gefahren? Zum einen müssen die zuvor beschriebenen Gedanken konsequent und  nicht halbherzig umgesetzt werden. Nur so können die vernetzten Dienstleistungen ein hohes Maß an Effizienz erreichen und der beschriebene Erfolg hat eine Chance einzutreten. Zum anderen darf bei der Entwicklung des Quartiers nicht ein Abdriften in die Sozialromantik zugelassen werden, da sonst die Wirtschaftlichkeit in Gefahr gerät und das Quartier auf dem Weg von der Entwicklung hin zur Realisierung stecken bleiben könnte. Selten hatten Herausforderungen so gute Rahmenbedingungen, einen Erfolg zu erzielen. Jetzt kommt es auf die Akteure drauf an.

Der Autor
Torsten Rieckmann
Geschäftsführer
Senectus