24.06.2016
Axel Koschany

Individuelle Bausteine für unterschiedliche Wohnungen und Häuser

Wohnen anders gedacht - oder: Muss ein Bett eigentlich 2 x 2 m groß sein

„Die Entwicklung hat bis heute gezeigt, dass eine Menge möglich ist, wenn alle Beteiligten es wollen und bereit sind, etwas Neues zu wagen.“ so Axel Koschany von Koschany + Zimmer Architekten KZA.

WAS BISHER GESCHAH…

Kostengünstiges Wohnen, Micro-Wohnen, Vario-Wohnen, „neues“ Wohnen: Programme, Planungen und Projekte rund um „das Wohnen“ bestimmen seit Monaten - lange, bevor die Flüchtlinge kamen - Diskussionen, Veranstaltungen und Gesprächsrunden aller Akteure, die in der Verantwortung stehen, Wohnraum zu schaffen: der Politik und Verwaltung, der  Verbände, Wohnungsbaugesellschaften, Entwickler, Baufirmen und Investoren - und von uns Architekten:
Zusammen mit unseren Bauherrn sollen wir die Ergebnisse all der Programme und politischen Vorgaben in gebauten Raum umsetzen: kostenbewusst, gestalterisch anspruchsvoll und natürlich nachhaltig - die Stadt und ihre Quartiere bereichernd - für Menschen ein neues Zuhause schaffen. Und bitte schnell…

Eine neue Euphorie rund um das Wohnen ist entstanden, neue Konzepte werden entwickelt, fast vergessen schienende Ideen werden wiederentdeckt und mit Blick auf die heutigen Möglichkeiten weiterentwickelt: serielle Vorproduktion, modulalres Bauen, skalierbare Elemente. Das Bauen mit Holz erfährt durch den Wohnungsbau einen immensen Schub, kaum ein Dach ist noch vor seiner Aufstockung sicher und Bauordnungen werden angepasst, um die Realisierung von Wohnungsbauprojekten zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Schien in Deutschland noch vor nicht allzu langer Zeit „alles gebaut“ eröffnet sich nun die Chance, in unseren Städten an vielen Stellen eine neue, qualitätsvolle und lebenswerte Urbanität zu schaffen.

Bei allem Aktivismus ist es wichtig, die Menschen, die in den Nachbarschaften und Quartieren, in denen nun händeringend nach Flächen zur Nachverdichtung gesucht werden, bereits leben und sich engagieren, mitzunehmen und einzubinden in das, was ihre Umgebung nachhaltig verändern wird. Zudem tragen die großzügigen Grünflächen der 50er Jahre Siedlungen als Frischluftschneisen wesentlich zur Klimaqualität in den Quartieren bei, nicht jede Lücke sollte also geschlossen werden. Außerdem freuen sich unsere Kinder, wenn sie auch noch außerhalb umzäunter Spielplätze gefahrlos ihre Umwelt entdecken können…
Nicht zuletzt gilt es zu vermeiden - bei aller gebotenen Eile, kostengünstigen Wohnraum in großem Maßstab zu schaffen - die Fehler der 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts zu wiederholen, als unser Städte unter ähnlichem Zeitdruck neuen Wohnraum bereitstellen mussten und dabei der Blick für urbane Qualitäten und architektonische Vielfalt oft verloren ging.

…UND WO BEGINNEN?

Aus unserer Sicht beim Nukleus: der Wohnung. Und dabei gilt es, „das Wohnen“ neu zu denken, jedes „das war schon immer so“ zu hinterfragen und jedem „das haben wir noch nie gemacht“ ein „warum-eigentlich-nicht?“ entgegenzustellen. Das gilt für Größe und Ausstattungsdetails der Wohnungen – wie groß muss ein Bett wirklich sein und kann man Einbauschränke nicht intelligent vorstrukturieren - wie für ihre Bäder: warum kann ein Bad im kostengünstigen Wohnungsbau nicht die gleichen durchdachten Ausbauqualitäten haben wie im „Motel One“? Und gehören der Eingang eines Hauses wie sein Treppenhaus für seine Bewohner nicht auch zur Wohnqualität? Zugleich sind Planungs- und Bauablauf neu zu strukturieren, digitale Prozesse wie BIM unter Einbindung aller Beteiligten aktiv zu nutzen.

Dabei ist es schwer, mit lokalen Projekten neue Maßstäbe im überregionalen Markt zu etablieren: Die Projekte sind oft zu klein, und die meisten Bauherrn agieren lokal. Ressourcenstarken, überregional agierenden Akteuren am Wohnungsmarkt gelingt es eher, innovative Konzepte mit der notwendigen Strahlkraft zu entwickeln und im Markt zu etablieren.

EIN ANSATZ

Im September 2015 erhielt unser Büro von der Vonovia AG den Auftrag, den skizzierten Anforderungen folgend innovative Konzepte zu entwickeln: Wohnungs- und Gebäudetypologien, welche die Umsetzung des Unternehmensziels ermöglichen, bundesweit in den nächsten Jahren zehntausende Wohnungen im Zuge einer Nachverdichtung auf eigenen Grundstücken zu bauen.
Um mit Blick auf die Daseinsvorsorge kostengünstigen Wohnraum bereitzustellen, soll dies unter Einhaltung ambitionierter Kostenvorgaben, eines wertigen Standards in Ausbau und Materialität sowie der Vorgabe geschehen, die neuen Konzepte mit Blick auf serielle Einheiten für ein „schnelles Bauen“ zu entwickeln. Eine der wesentlichen Vorgaben ist es, die Flächenentwicklung kritisch mit dem Ziel zu hinterfragen, die seit Jahren steigende qm-Zahl pro Person auf das Notwendige zurückzuführen:

„small but smart“ ist der Leitgedanke der entwickelten Bausteine, „mikro“ in ihrer Grundgröße, „vario“ in der Vielfalt, sie zu unterschiedlichen Wohnungen und Häusern zusammenzusetzen zu können und so auf jeden Ort individuell zu reagieren.

DER AUSBLICK

Die Entwicklung hat bis heute gezeigt, dass eine Menge möglich ist, wenn alle Beteiligten es wollen und bereit sind, etwas Neues zu wagen. Sie zu finden ist in einer eher konservativen Immobilienwirtschaft nicht immer leicht: Nachdem Bauherr und Architekt gemeinsam ein Konzept entwickelt hatten, dass bis in die Vorstandsebene große Begeisterung auslöste, stellten sich die anschließenden Gespräche mit ausführenden Unternehmen oft als eher zäh und wenig motiviert heraus. Es gilt eben auch hier, anders und neu zu denken, andere Kostenansätze zu definieren und liebgewonnene Routinen zumindest mal gedanklich zu verlassen. Gerade „die Großen“ tun sich dabei schwer, manche haben sich gar nicht erst darauf eingelassen. Dafür hat uns manch kleines, junges Un- ternehmen überrascht und sich von unserer Begeisterung anstecken lassen. Das wiederum macht Hoffnung: die Bauanträge für die ersten Prototypen laufen!

Das Event zum Thema
Der Autor
Axel Koschany
Geschäftsführender Gesellschafter
Koschany Zimmer Architekten