19.04.2016
Uwe Bethge

Lohnt sich der Aufbau einer Rechtsabteilung im Immobilienunternehmen – eine überholte Frage?

Wie aus Kosten zusätzliche Erträge werden: interne Rechtsabteilung vor Umbruch?

Werden sich Immobilienunternehmen bald an Anwaltsgesellschaften beteiligen können und aus Kosten zusätzliche Erträge werden?

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer internen Rechtsabteilung stellen sich immer mehr Unternehmen der Immobilienwirtschaft. Am häufigsten genannte Entscheidungskriterien „Pro“ sind die schnelle Verfügbarkeit und die bessere Einbindung „eigener“ Juristen in Strategie und Besonderheiten des Unternehmens, vielleicht auch mal das größere Maß an Vertraulichkeit und natürlich die Kostenreduzierung (externe Anwälte gelten immer noch als deutlich teurer – betrachtet man nur die Stundensätze mag das richtig sein). Dagegen wird ebenso häufig auf die Fixkosten einer Rechtsabteilung, die Vergrößerung des Personalbestandes oder auch fehlende Spezialkenntnisse und Expertisen von Inhousejuristen verwiesen. Manchmal ist es einfach eine Frage der Philosophie: der eine Unternehmenslenker möchte einen Juristen als Sparringspartner im eigenen Haus, der andere bevorzugt den externen Blick eines erfahrenen und mit der Branche verbundenen Anwalts.

 

Ganz sicher ist neuerdings eine völlig andere Überlegung. Kann es Immobilienunternehmen künftig gelingen, aus ihrer Rechtsabteilung ein eigenes Profitcenter zu machen? Diese Frage könnte sich derjenige stellen, der die bahnbrechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.01.2016 kennt: danach ist es verfassungswidrig, einem Anwalt und einer Apothekerin die gemeinsame Berufsausübung in Form einer Partnerschaftsgesellschaft zu verbieten. Ist damit auch der Weg für andere berufsfremde Gruppen frei, sich mit Anwälten gesellschaftsrechtlich zu verbinden? Wenn ja könnte eine denkbare Strategie darin liegen, sich an Anwaltsgesellschaften zu beteiligen oder solche neu zu gründen, diese mit hinreichend Kapital auszustatten, mit ihnen am allgemeinen Rechtsberatungsmarkt teilzunehmen und sie gleichzeitig gesellschaftsrechtlich an das eigene Unternehmen zu binden. Wären wir nicht in Deutschland, wäre das kein Wunschtraum mehr, sondern Realität. In England dürfen sich Berufsfremde an Anwaltskanzleien in Form sog. „ABS“ (alternative business structures) beteiligen. Eines der prominenten Beispiele ist die seit 2013 existierende Marke „DAS Law“, mit der der Rechtsschutzversicherer in Großbritannien Rechtsberatung anbietet. “A law firm with technical expertise, yet clear and straightforward advice” heißt es auf der homepage. Damit ist ein Weg begangen, den auch das Bundesverfassungsgericht bereits aufzeigt: die begrenzte Überschaubarkeit und zunehmende Komplexität moderner Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse haben zur Folge, dass Rechtsfragen oft nicht ohne professionellen Sachverstand aus anderen Berufen beantwortet werden können und die Nachfrage nach kombinierten interprofessionellen Dienstleistungen wächst.

 

Die englischen ABS erhalten eine Lizenz zur Rechtsberatung, wenn die Einhaltung berufsrechtlicher und rechtsformabhängiger Vorschriften durch einen Compliance Officer unternehmensintern überwacht wird. In Deutschland sind wir von solchen Möglichkeiten noch weit entfernt. Insbesondere betont auch Karlsruhe, dass der Mandantenschutz Verschwiegenheitsverpflichtungen, Aussageverweigerungsrechte und Beschlagnahmeverbote erfordert. Daher dürfe die Zusammenarbeit von Anwälten auf solche Berufe beschränkt werden, die diese Voraussetzungen ebenfalls erfüllten. Allerdings überlegt der Deutsche Anwaltverein bereits, ob sich nicht wenigstens auch Architekten und Ingenieure mit Anwälten zusammenschließen dürften. Und wenn man nicht nur auf England, sondern auf andere europäische Länder blickt, die von einschneidenden Regeln wie in Deutschland weit entfernt sind, dürfte es wenig visionär sein, gravierende Änderungen auch für den hiesigen Rechtsberatungsmarkt bereits für die nächsten Jahre in Aussicht zu stellen.

 

Wenn wir uns die geltenden Restriktionen beruflicher Zusammenarbeit und gesellschaftlicher Verbindungen zwischen Anwälten und anderen Berufsgruppen wegdenken wird die heutige Differenzierung zwischen interner Rechtsabteilung und externer Kanzlei künftig mehr und mehr obsolet. Eine eigene Rechtsabteilung ist dann kein notwendiges Übel mehr, sondern in Form einer Sozietät mit Anwälten strategischer Bestandteil einer Unternehmensgruppe. Aus überflüssigen Kosten werden zusätzliche Erträge. Schön auch für die Anwaltschaft: die enge Verbindung mit einem Immobilienunternehmen garantiert kontinuierliche Aufträge und Einnahmen, der starke Partner sorgt für die nötigen Mittel zur Expansion. Die Angst vor der Konkurrenz durch kapitalstarke internationale Großkanzleien weicht der Hoffnung auf eine goldene Zukunft.

Der Autor
Uwe Bethge
Rechtsanwalt und Notar