22.02.2016
Christopher Küas

Wie weit reicht der Bestandsschutz bei Revitalisierungsvorhaben?

Bestandsschutz bei Revitalisierungsvorhaben

Aufgrund mangelnder Freiflächen in den Metropolen sind zunehmend in die Jahre gekommene Gebäude als Investmentziel in den Fokus gerückt.

Bei der Akquisition und der Entwicklung von Bestandsimmobilien fällt immer wieder das Stichwort „Bestandsschutz“. Darunter versteht man den Schutz, den eine für eine Immobilie erteilte Baugenehmigung gegen nachträgliche Änderungen von Bauvorschriften bietet. So muss sich etwa eine in den 1970ern genehmigte Büroimmobilie grundsätzlich nicht an den heutigen strengen Vorschriften über die Barrierefreiheit messen lassen. 

Jedoch ist es wichtig zu wissen, dass der aus einer Baugenehmigung herrührende Bestandsschutz Grenzen hat. Denn der Bestandsschutz gilt nur für exakt die Bausubstanz und Nutzung, für welche die Baugenehmigung erteilt ist. Darum reicht die oft gehörte Aussage „Es gibt doch eine Baugenehmigung für das Gebäude“, gerne kombiniert mit der bloßen Vorlage des Bauscheins (der Textteil der Baugenehmigung), nicht aus. Vielmehr kann nur anhand der genehmigten Baupläne und der übrigen Bestandteile zur Baugenehmigung wirklich beurteilt werden, was genau eigentlich genehmigt worden ist, wie weit der Bestandsschutz also reicht.

Im Vorfeld jeder Entwicklungsmaßnahme und Grundstücksakquisition sollte darum eine Durchsicht sämtlicher für die Immobilie vorhandener Baugenehmigungen einschließlich aller Anlagen erfolgen. Nur so kann bewertet werden, ob der vorhandene Bestand überhaupt noch mit dem identisch ist, was womöglich vor 20 oder 30 Jahren genehmigt worden ist. In Zweifelsfällen mag es sich anbieten, in Begleitung eines Sachverständigen mit den genehmigten Plänen vor Ort zu prüfen, ob der Bestand mit dem Inhalt der genehmigten Baupläne übereinstimmt. Nur so kann sich ein Erwerber des Grundstücks darauf verlassen, dass er eine von Genehmigungsrisiken freie Immobilie erwirbt. Denn er trägt letztlich gegenüber den Behörden die Beweislast dafür, dass sein Gebäude „so wie es steht“ genehmigt ist.

Eine solche Analyse sollte auch dann erfolgen, wenn die Immobilie künftig anders als bisher genutzt werden soll. Denn auch nachträglich erteilte Änderungsgenehmigungen und Nutzungsänderungsgenehmigungen bauen nur auf einem legalen Bestand auf. Stellt sich nachträglich heraus, dass der Bestand in seiner zuletzt vorhandenen Form nicht genehmigt war, scheidet der Rückgriff auf den Bestandsschutz aus. Eine solche nachträgliche Legalisierung des Gesamtgebäudes muss sich zumeist vollumfänglich an den heutigen Vorschriften über Grenzabstände, Stellplätze, Barrierefreiheit, Brandschutz und die Sondervorschriften für Spezialimmobilien halten. Oft führen nachträgliche Legalisierungen auch zu unumkehrbaren Nutzungseinschränkungen, wenn beispielsweise eine früher zulässige Nutzung heute – aufgrund geänderter Bebauungspläne – nicht mehr zulässig ist.

Selbst bei bloßen Mieteränderungen ist es zwingend, zu wissen, was in den Baugenehmigungen für das Gebäude steht. So ist etwa „Büro nicht gleich Büro“: Wird ein als „Bürogebäude“ genehmigtes Gebäude nach einigen Jahren beispielsweise an eine Stadtverwaltung vermietet, so gelten plötzlich andere Vorschriften über die Barrierefreiheit, Bestandsschutz hin oder her. Es muss in einem solchen Fall also nicht bloß ein neuer Mietvertrag verhandelt und abgeschlossen werden, sondern auch eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung in ein Verwaltungsgebäude beantragt werden. Unterbleibt dies, so stehen die üblichen Genehmigungsrisiken wie Bußgeldverfahren, Nachforderungen von Barrierefreiheit oder – im Extremfall – Nutzungsuntersagungen ins Haus.

Die genaue Analyse des öffentlichen Baurechts ist somit im Rahmen von Grundstücksentwicklungen und –akquisitionen unverzichtbar. Gerade in diesem technischen Bereich ist eine verständige Zusammenarbeit von Planern und Juristen besonders bedeutsam, um einer Transaktion oder Grundstücksentwicklung auch nachhaltig zum Erfolg zu verhelfen.

Der Autor - RA Christopher Küas wird am 14. April 2016 im Rahmen des Fach-Dialogs Redevelopment und Refurbishment in Köln einen Vortrag zum Thema „Juristische Projektsteuerung bei Revitalisierungsvorhaben“ halten.

Der Autor
Christopher Küas
Partner und Fachanwalt für Verwaltungsrecht