02.05.2016
Sinje-Swala Buschmann

Retail im Norden – wie die Wellen an der Elbe und der See

Entwicklungen und Trends der Einzelhandelsmärkte in Hamburg und Schleswig-Holstein

Die deutschen Retailmärkte boten 2015 ein zufriedenstellendes Bild. Die Nachfrage war positiv, allerdings sind einige strukturelle Veränderungen zu beobachten, die sich in der Angebots- und Mietpreisentwicklung niedergeschlagen haben.

Bild: Sinje-Swala Buschmann

Nachdem die Mieten viele Jahre nur eine Richtung kannten und kontinuierlich gestiegen sind, lässt sich in den meisten deutschen Städten eine Stabilisierung auf dem Vorjahresniveau feststellen. Dafür verantwortlich waren mehrere Einflussfaktoren, die im Ergebnis zu sinkenden Frequenzen und stagnierenden Umsätzen in den 1A-Lagen führen: Als Ursache hierfür sind ein verändertes Käuferverhalten durch den wachsenden Online-Handel, ein zunehmender Einfluss vertikaler Einzelhändler und ein höheres Anspruchsdenken der Kunden an den stationären Handel zu nennen.

Auch Hamburg bildet da keine Ausnahme. Die Spitzenmiete, die in der vom hochwertigen Einzelhandelsbesatz geprägten Lage Neuer Wall erzielt wird, hat sich bei 280 €/m² stabilisiert. Damit ist sie in Hamburg nach wie vor die teuerste Einkaufsstraße, knapp vor der stark frequentierten Konsumlage Spitalerstrase mit einem Höchstwert von 275 €/m². Das sich dort im Bau befindliche Büro- und Geschäftshaus „MÖ-QUARTIER“ ist nach den Abschlüssen mit den Filialisten aus dem Bereich Textil wie Reserved (2.800 m²) und Mango (2.200 m²) vollvermietet. Erfreulich sind zudem die positiven Entwicklungen im westlichen Teil der City und im Verbindungsbereich zur HafenCity, die durch die laufenden Neubauprojekte Alter Wall, Stadthöfe und Nikolaikontor neu ins Augenmerk der Retailer gerückt sind. Lebhaft diskutiert wird zurzeit das Konzept von Unibail-Rodamco für das „kommerzielle Herz der Hafencity“. Hier entstehen rund 80.000 m² Einzelhandelsfläche, die wie ein offenes Stadtquartier gestaltet sind. Die Nähe zur Hamburger Innenstadt mit ihren Shoppingdestinationen und die Größe führen bei einigen Einzelhändlern zu Verunsicherungen darüber, wie sich die Umsätze zukünftig verteilen werden. Gestärkt wird der innerstädtische Einzelhandel wiederum durch die Ansiedlung neuer Konzepte wie das schwedische Einrichtungshaus Granit in der Poststraße, den Schweizer Chocolatier Läderach am Jungfernstieg, die Eröffnung von Clas Ohlson (ebenfalls am Jungfernstieg) im Sommer 2016 sowie unter anderem das trendige Fitnessbekleidungsgeschäft Lululemon. Zudem wird das Alsterhaus in den nächsten 5 Jahren für 80 Millionen € aufwendig umgebaut, das erste Highlight wird die Eröffnung der Luxury Hall im November dieses Jahres mit Marken wie Dior und Saint Laurent sein.

In Schleswig-Holstein sind Kiel und Lübeck die wichtigsten Einzelhandelsmärkte. Beide Städte profitieren vom Tourismus, haben aber auch in ähnlicher Weise die Herausforderungen von Centern auf der „grünen Wiese“ zu meistern, die in verkehrsgünstiger Lage die Konsumenten „abfischen“. Die Modenachfrage im Premiumbereich wird zusätzlich durch das Outlet-Center in Neumünster abgedeckt, was zu sinkender Nachfrage aus dem Segment in beiden Städten geführt hat.

Kiel ist als Landeshauptstadt mit rund 240.000 Einwohnern die größte Stadt Schleswig-Holsteins. Die A-Lage ist die Holstenstraße mit einer erzielbaren Höchstmiete von 70 €/m², die auf diesem Niveau stagniert. Der Kieler Einzelhandelsmarkt wird seit jeher geprägt durch Fachmarkt-Center in der Peripherie, die in Konkurrenz zur Innenstadt stehen. In den vergangenen Jahren gab es daher viel Bewegung in der Holstenstraße, so eröffnete 2015 TK Maxx im ehemaligen „LEIK“ (Holstenstraße 21-27), Woolworth hat seine ehemalige Immobilie Holstenstraße 37 verlassen und sich in der Nummer 17 angesiedelt. Die „alte „Woolworth-Immobilie“ wird entwickelt, dem Vernehmen nach wird Primark dort mit einer Filiale ansässig. Der ehemalige C&A-Block wird einer renommierten Hotel- und Wohnbebauung mit erdgeschossiger Einzelhandels- und Gastronomienutzung weichen. Der obere Teil der Holstenstraße wird zusätzlich gestärkt durch das „Nordlicht“ in der Holstenstraße 1-11 mit Saturn, C&A, Karstadt Sports etc. Insgesamt ist das eine erfreuliche Entwicklung, die allerdings nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass sich die Nachfrage der filialisierten Einzelhändler nach Flächen häufig nicht auf die Holstenstraße, sondern auf den Sophienhof am unteren Ende richtet.

In Lübeck ist die Breite Straße zwischen Kohlmarkt und Beckergrube die gefragteste Einzelhandelslage. Sie ist hinsichtlich des Mietzinsniveaus stabil mit konstanter Nachfrage von Einzelhändlern. Das vor seiner Fertigstellung kontrovers besprochene Haerder-Center konnte aufgrund der geringen Grundfläche nie zu einem dem Sophienhof in Kiel vergleichbaren innerstädtischen Magnet werden, sodass die angestammte A-Lage Breite Straße davon kaum beeinflusst wurde. Viel massiver sind die Umsatzverschiebungen durch das Ikea-Center LUV mit rund 50.000 m² einzuschätzen.

Sinje-Swala Buschmann ist Director Retail Advisory der BNP Paribas Real Estate GmbH in Hamburg und wird beim Handels-Dialog Hamburg und Schleswig-Holstein am 24. Mai 2016 in Hamburg, die Standorte und Märkte im Norden genauer unter die Lupe nehmen.

Die Autorin
Sinje-Swala Buschmann
Director Retail Services
BNP Paribas Real Estate (BNPPRE)