Der Autor
Prof. Dr. Steffen SebastianUniversität Regensburg, Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung
Zudem gibt es weder in Europa noch in Japan Anzeichen dafür, dass die Krise noch in dieser Dekade überwunden werden könnte. Auch die Staatsfinanzen in Europa sind weiterhin in einem schlechten Zustand: Die Verschuldung nimmt bei den meisten Mitgliedstaaten zu. Auch die Stabilität der europäischen Banken ist alles andere als gesichert. Deutschland ist zwar weiterhin die Insel der Glückseligen, allerdingt erhöht im Moment die Flüchtlingskrise das Risiko einer deutlichen Verschlechterung der Staatsfinanzen. Die längst in Vergessenheit geratenen Maastricht-Kriterien erfüllen ohnehin nur noch einige wenige der kleineren Mitgliedstaaten.
Die Liste ließe sich fortführen. Entsprechend war die Renditeentwicklung auf den Aktienmärkten seit Jahresbeginn negativ und reichlich volatil. Gold hingegen, der traditionell als sicher empfundene Hafen, hat im gleichen Zeitraum deutlich zugelegt. Von Zinserhöhungen oder gar Zinswende ist weder in den USA noch in anderen Industriestaaten die Rede.
Also alles ganz normale Dauerkrise. Für die Immobilienbranche war dies in den letzten fünf Jahren eigentlich immer ein Grund für Zuversicht. Tatsächlich rechnen die meisten Marktteilnehmer auch mit steigenden oder zumindest stabilen Preisen. Dennoch ist die Nervosität weiterhin groß. Viele Investoren möchten nicht nur die eigentlichen Transaktionen, sondern auch vor allem die dazugehörige Finanzierung in Maximalgeschwindigkeit abwickeln. Hierbei hat sich die Bereitschaft zu Zugeständnissen bei den Konditionen nochmals deutlich erhöht.
Ursache ist die Angst vor einem weiteren „Schwarze Schwan“. In der Risikoanalyse ist dies ein Ereignis mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit, welches zwar niemand erwartet, das aber starke Auswirkungen auf den Markt hat. Die Finanzkrise von 2007/08 lässt sich als solches Ereignis charakterisieren. Hierbei haben die wenigsten Investoren tatsächlich Angst vor einer neuen Weltwirtschaftskrise. Vielmehr besteht die Befürchtung, dass aktuell ein kleiner Anlass ausreichen könnte, um die Banken zu veranlassen, neue Finanzierungsgeschäfte für mehrere Wochen einzustellen. Wer dann einen Kaufvertrag erfüllen müsste, würde in ernsthafte Schwierigkeiten gelangen.
Kein Schwarzer Schwan
Wenn alle auf ein unwahrscheinliches und unerwartetes Ereignis warten, ist das dann noch ein „Schwarzer Schwan“? Und wäre eine erneute Störung des Finanzsystems wirklich ein unwahrscheinliches Ereignis? Die Analysen verschiedener supranationaler Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank oder der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben bislang noch keine Entwarnung gegeben, sondern weisen vielmehr weiterhin auf die Existenz von substantiellen Risiken für die der Stabilität der Finanzsysteme hin. Dennoch besteht aktuell kein Anlass, von einem akut gestiegenen Risiko auszugehen. Die zuverlässige Abwicklung einer Immobilienfinanzierung sollte selbstverständlich weiterhin ein wichtiges Kriterium sein. Es wäre jedoch ein Fehler, zur Zeitersparnis auf die Verhandlung optimaler Konditionen zu verzichten.
(Auszug aus BF.Marktradar März 2016)