31.05.2016
Marcus Lemli

Klein und begehrt - Mikrowohnungen

Wieso Mikro groß wird

Können Sie sich vorstellen, in einer zwanzig oder dreißig Quadratmeter großen Wohnung zu leben? Nein? Immer mehr Menschen können das und wissen diese Form von Minimalismus zu schätzen.

 Zugegeben: Hierzulande handelt es sich noch um eine Minderheit, aber der Bedarf an den in anderen Ländern bereits etablierten Mikrowohnungen wächst zweifellos auch in Deutschland. Dass sich dieser Bedarf gerade jetzt artikuliert, ist kein Zufall, sondern die logische Folge mehrerer Entwicklungen.

Viele Menschen zieht es in die großen Städte. Folglich steigt dort die Verdichtung – lebten beispielsweise in München im Jahr 2000 noch 2.500 Menschen auf einem Quadratkilometer Fläche, so sind es heute etwa 4.200 Menschen. Im Jahr 2030, so die aktuelle Prognose, werden es mehr als 5.000 sein. Der damit einhergehende steigende Platzmangel macht sich bereits seit einigen Jahren in deutlich steigenden Mieten bemerkbar. Wenn die Haushaltseinkommen – wie derzeit – nicht im gleichen Maße steigen, stellt eine Verringerung der Wohnungsgröße für die Haushalte eine Möglichkeit dar, ihre Wohnkostenbelastung konstant zu halten.Bei immer mehr Berufstätigen stimmen Wohn- und Arbeitsort nicht überein. Vor allem das Pendeln über lange Distanzen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. So gibt es allein in Berlin mehrere zehntausend Menschen, die dort ihren Hauptwohnsitz haben, aber in Städten außerhalb der üblichen Tagespendeldistanz arbeiten. Die Top-3-Zielorte sind Frankfurt, München (jeweils ca. 4.700 Menschen) sowie Köln (ca. 3.400 Menschen). Die meisten dieser Fernpendler benötigen in ihrer Arbeitsstadt eine Wohnung. Eine zentrale Lage bzw. gute Erreichbarkeit sind dabei wesentlich wichtiger als Geräumigkeit.

Die Digitalisierung des Alltags gibt uns die Möglichkeit, Platz in der eigenen Wohnung zu sparen, ohne dabei jedoch auf Komfort verzichten zu müssen. Das Tablet ersetzt den PC und sogar den Fernseher, zugleich machen die darauf installierten Streaming-Dienste die DVD- und CD-Sammlung überflüssig. Die Bibliothek wandert in den E-Reader und das Smartphone ist sowieso das Schweizer Taschenmesser des Digitalzeitalters: Es dient uns unter anderem als Uhr, Wetterstation, Radio, Notizbuch, Fotoapparat, ach ja, und natürlich als Telefon.

All diese Entwicklungen wirken als Katalysator für die Nachfrage nach Mikrowohnungen und werden diese weiter steigen lassen. Dies wiederum ruft Investoren auf den Plan, die an dieser steigenden Nachfrage partizipieren wollen. Dass viele dieser Akteure aus dem Ausland kommen, liegt nicht zuletzt darin begründet, dass Mikrowohnungen in einigen internationalen Metropolen – vor allem im asiatischen Raum – bereits deutlich etablierter sind als hierzulande. Am sichtbarsten ist dies bei Studentenapartments, die letztlich ein Teilsegment des Mikrowohnungsmarktes für eine spezielle Zielgruppe bilden. Die weltweit steigenden Studierendenzahlen und der damit einhergehende Nachfrageschub nach entsprechendem Wohnraum hat das Transaktionsvolumen in diesem Bereich auf das Rekordhoch von fast 15 Mrd. US-Dollar steigen lassen (siehe Abbildung). Die größten Investoren stammen dabei aus jenen Ländern, die sich durch vergleichsweise reife private Studentenwohnungsmärkte auszeichnen, namentlich den USA und Großbritannien. In Deutschland hat die britische GSA Group mit der jüngst erfolgten Übernahme des Headquarter-Portfolios für die bislang größte Transaktion am hiesigen Markt gesorgt. Weitere Akteure aus dem Ausland werden folgen und auch einheimische institutionelle Investoren interessieren sich nach anfänglichen Vorbehalten zunehmend für diese Asset-Klasse.

Jenseits des Studentenwohnungsmarktes ist das Mikrowohnsegment noch in einer sehr frühen Phase des Lebenszyklus. Das hat jedoch weniger mit fehlendem Investoreninteresse als vielmehr mit einem Mangel an entsprechenden Objekten zu tun. Die wenigen bislang gebauten Objekte dieser Art, die meisten davon befinden sich in Frankfurt und Hamburg, haben schnell einen Käufer gefunden. Das Transaktionsvolumen 2015/16 summiert sich auf immerhin etwa 200 Mio. Euro – weiteres Wachstum ist auch hier absehbar. Die Nutzernachfrage dürfte aus den dargelegten Gründen stark steigen und die Investoren wissen die Kombination aus stabilen und gut kalkulierbaren Miet- bzw. Pachterträgen und den im Vergleich zum normalen Wohnungsmarkt höheren Anfangsrenditen zu schätzen. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Mikrowohnsegment groß wird, wenngleich es aufgrund der begrenzten Zielgruppe (vor allem Studierende, Wochenendpendler und Expats, möglicherweise auch alleinlebende Senioren) in absehbarer Zukunft eine Nische bleiben wird.

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Der Autor
Marcus Lemli
CEO Germany und Head of Investment Europe
Savills Immobilien Beratungs-GmbH